Frieden auf Erden
Halevala, ein Haupttechniker beim Bodenpersonal, führte das Wort im Munde, hundertprozentige Gewißheit sei nur von einem Leichnam zu erwarten – die Gewißheit nämlich, daß er nicht mehr aufsteht. Halevala hielt sich gern darüber auf, wie der Herrgott bei der Weltschöpfung doch die Statistik außer acht gelassen habe und daher beim Auftreten von Havarien seine Zuflucht gar zu Wundern nehmen mußte. Dabei war die Lage – selbst im Paradies! – schon so verkorkst, daß auch Wunder nicht mehr weiterhalfen … Der vergnatzte Vivitch verlangte vom Direktor die Entlassung des Unheilbringers Halevala. Der Direktor war unheilgläubig, aber der Wissenschaftsrat, bei dem der Finne Berufung einlegte, war es nicht, und so blieb Halevala auf seinem Posten.
Unter solchen Voraussetzungen war ich in die Mondmission eingestiegen. Ich hatte keinen Zweifel, daß auch auf dem Mond manches kaputtgehen würde, obgleich bis zum Umfallen simuliert und kontrolliert worden war. Mich machte nur neugierig, wann das passieren und in welchen Schlamassel ich geraten würde. Als einmal alles wie ein Uhrwerk lief, unterbrach ich selbst den Countdown, weil mein zu fest bandagiertes linkes Bein eingeschlafen war. Wie ein aus der Pyramidengruft erstandener Pharao stritt ich mich über den Sprechfunk mit Vivitch, der behauptete, diese Bandagen dürften nicht zu lose sitzen und es werde gleich alles von selbst vergehen. Ich blieb aber stur, und anderthalb Stunden lang mußten sie mich auspacken und aus den Kokons schälen. Wie sich zeigte, hatte sich einer, der sich natürlich nicht zu erkennen gab, beim Festziehen der Klemmen mit einem Pfeifenreiniger geholfen und ihn unter dem Band steckenlassen, das meine Kniebeuge umspannte. Aus Mitleid bat ich darum, keine Ermittlungen anzustellen, obgleich ich den Schuldigen zu kennen glaubte – ich wußte ja, wer von meinen Betreuern Pfeifenraucher war. In den ungemein sensationellen Geschichten über Flüge zu den Sternen kommen dergleichen Dinge nicht vor, es passiert niemals, daß ein – wenngleich mit den entsprechenden Medikamenten vollgestopfter – Astronaut sich die Seele aus dem Leib kotzt oder der Behälter versagt, der zur Aufnahme der sich aus natürlichen physiologischen Bedürfnissen ergebenden Produkte dienen soll. Hierbei braucht nur das Ansatzstück zu verrutschen, und der Astronaut macht nicht nur sich selber, sondern auch seinen Raumanzug voll. Genau das war dem ersten amerikanischen Raumflieger bei seinem suborbitären Flug passiert, die NASA hatte es der Öffentlichkeit jedoch aus historisch-patriotischen Rücksichten verschwiegen, und als es endlich doch publik wurde, interessierte sich sowieso keiner mehr für Raumflüge.
Je sorgfältiger man vorgeht, je mehr der Mensch im Mittelpunkt steht, um so größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß unter der Achsel ein verknäueltes Kabel drückt oder eine Spange sich irgendwo einklemmt, wo sie nicht hingehört, einen aber durch ihr Piken verrückt macht. Ich habe einmal vorgeschlagen, im Raumanzug sollten von außen steuerbare Kratzer angebracht werden, aber alle hielten das für einen Witz und lachten – außer routinierten Raumfahrern, die wußten, wovon ich rede. Ich war es ja, der die Tichysche Regel aufgestellt hat, nach der zuerst derjenige Körperteil zu jucken und zu kitzeln beginnt, an dem man sich auf keine Weise kratzen kann. Das Jucken hört erst auf, wenn eine ernsthafte Havarie eintritt, weil einem dann die Haare zu Berge stehen, man eine Gänsehaut bekommt und der kalte Schweiß alle anderen Reize vertreibt. Das ist eine heilige Wahrheit, aber die großen Autoritäten sagen, darüber dürfe nicht gesprochen werden, weil das auf die Großen Schritte Des Nach Den Sternen Greifenden Menschen einen schlechten Reim mache. Armstrong hätte schön ausgesehen, wenn er auf der Leiter jenes ersten LEM nicht von dem Großen Schritt, sondern von seinen rutschenden Unterhosen gesprochen hätte. Ich war schon immer der Ansicht, daß die Herren von der Flugkontrolle, die sich in ihren Sesseln rekeln, Bier aus Büchsen trinken und dem zur Mumie gemachten Astronauten kluge Ratschläge oder Worte der Aufmunterung und Stärkung zukommen lassen, sich erst mal selber an seine Stelle setzen sollten.
Die beiden letzten Wochen auf der Basis waren unangenehm. Es gab neue Anschläge auf Ijon Tichy. Nicht einmal nach dem Abenteuer mit der falschen Marilyn Monroe war mir gesagt worden, daß alle für mich eingehende Post vor der
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