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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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selbst wenn die Sterne sich so zusammenfinden, daß der Hosenträgerfabrikant Pleite macht und man seinen Job verliert, so ist das doch immer noch besser als das zuverlässige Wissen, den Sternen schnuppe zu sein. »Schlage ihm das aus dem Kopf, dazu noch die Einbildung, der Kaktus auf dem Fensterbrett bringe ihm Sympathie entgegen, und was bleibt übrig? Bloße Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, eine armselige, nackte Leere.« Also sprach Tarantoga, aber ich sehe, daß ich allzuweit vom Thema abgeschweift bin.
    Am 27. Oktober wurde ich auf eine Erdumlaufbahn geschossen. In die sensorenbestückte Wäsche gewickelt wie ein Säugling in die Windeln, sah ich mir aus 260 Kilometer Höhe meinen Heimatplaneten an und hörte, wie die Techniker in der Zentrale Schreie der Genugtuung und Verblüffung ausstießen, daß es diesmal doch geklappt hatte. Meine erste Stufe – ich meine das Hauptaggregat – löste sich sekundenbruchteilgenau über dem Stillen Ozean, die zweite aber wollte nicht recht, ich mußte nachhelfen, und irgendwo über den Anden wurde ich sie los. Nach den rituellen Gute-Reise-Wünschen klemmte ich mich selber hinters Steuer und durchflog die gefährlichste Strecke auf dem Weg zum Mond. Ihr habt keine Ahnung, was da an Schrott um die Erde kreist, an die 18 000 zivile und militärische Satelliten, ganz zu schweigen von den ganz gefährlichen, die sich schon in ihre Einzelteile aufgelöst haben und auf dem Radarschirm kaum auszumachen sind. Außerdem ist, seit schädliche Abfälle, die radioaktiven an der Spitze, ins All verklappt werden, dort oben alles voll von ordinärstem Müll. Ich flog also unter Beachtung äußerster Vorsicht, bis es wirklich leer wurde. Erst dann schnallte ich mich von allen Gurten los und ging daran, den Zustand meiner LEMs zu prüfen.
    Der Reihe nach setzte ich sie in Betrieb, um mich in sie einzufühlen und das Innere des Laderaums mit ihren kristallenen Augen zu betrachten. Neunzehn solcher Sendlinge hatte ich in Wirklichkeit, aber der letzte war gesondert untergebracht, in einem Container, der laut Aufschrift Dosen mit Fruchtsäften enthielt. Das sollte Unbefugte irreführen, aber ich hielt die Tarnung nicht für besonders listig: Die Maße des Behälters ließen darauf schließen, daß diese Fruchtsäfte meinen Bedarf an Vollbädern abdecken sollten. Drinnen steckte ein hermetisch versiegelter Zylinder von hellblauer Farbe und mit der Aufschrift ITEM. Das war das Kürzel für INSTANT ELECTRONIC MODULE, den Sendling in Pulverform, top secret, das Werk von Lax, das ich nur im Falle äußerster Notwendigkeit einsetzen durfte. Ich kannte das Prinzip, nach dem er funktionierte, weiß aber nicht, ob ich es jetzt schon verraten soll. Ich möchte nicht, daß meine Erzählung zu einem Erzeugniskatalog der GYNANDROICS oder der teleferistischen Unterabteilung der Lunar Agency wird.
    Der Lunar Excursion Missionary Nr. 5 verfiel, kaum daß er eingeschaltet war, in leichte Krämpfe. Ich war mit ihm rückgekoppelt, fiel folglich in ein fiebriges Zittern und heftiges Zähneklappern. Der Betriebsanleitung zufolge hätte ich den Defekt unverzüglich der Basis melden müssen, unterließ es jedoch, weil ich die unvermeidlichen Folgen ahnte. Man würde ein ganzes Gremium von Konstrukteuren, Projektanten, Ingenieuren und Fachleuten für elektronische Pathologie einberufen, dieses ganze Gremium wäre zuallererst einmal sauer auf mich, weil ich wegen so dummen Zeugs wie eines leichten und sowieso von allein vergehenden Krampfes Lärm geschlagen hatte, man würde mir per Funk einander widersprechende Anweisungen geben, was zu- und auseinandergeschaltet und mit welcher Stromstärke der arme Kerl behandelt werden müsse, weil Elektroschocks zuweilen nicht nur dem Menschen hilfreich sind, die Sinne wieder zusammenzukriegen. Wenn ich ihnen Gehör schenke, wird das neue unverhoffte Reaktionen des LEM hervorrufen, man wird mich auffordern, nur ganz ruhig zu bleiben, von diesem LEM oder gar von mir ein Analog- oder Digitalmodell auf dem Hauptsimulator herstellen, sich dabei streiten bis zum Umfallen und mir immer wieder zureden, um Gottes willen nur nicht die Nerven zu verlieren. Das Team wird in zwei oder drei Lager zerfallen, etwa wie es bei hervorragenden Medizinern während des Konsiliums vorkommt. Vielleicht schickt man mich auch mit dem Handwerkskasten durch die Innenluke in den Laderaum, wo ich dem LEM den Bauch aufmachen und eine Fernsehkamera auf die Innereien lenken muß, denn er hat die gesamte

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