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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Tatsachen für sich zu behalten. Das braucht keine Beichte zu werden. Wir wissen nicht, was auf dem Mond passiert ist. Sibelius und seinesgleichen sind der Ansicht, die Evolution habe dort den Rückwärtsgang eingelegt: die Entwicklung der Instinkte statt der Intelligenz. Eine intelligente Waffe ist keine optimale Waffe. Sie kann beispielsweise Furcht empfinden. Ihr kann die Lust vergehen, eine Waffe zu sein. Sie kann auf mancherlei Konzepte kommen. Der Soldat aber darf, ob lebend oder tot, keinerlei eigene Konzepte haben. Intelligenz bedeutet die Möglichkeit mehrdimensionalen Handelns, also Freiheit. Damit ist aber nichts, es verhält sich dort oben ganz anders. Das Niveau der menschlichen Intelligenz ist bereits übertroffen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wer Evolution sät, erntet Vernunft – daher. Die Vernunft aber will niemandem dienstbar sein, es sei denn, sie muß. Dort muß sie nicht. Ich habe aber nicht vor, von dem zu sprechen, was dort ist, denn das weiß ich nicht. Es geht um das Hier .«
    »Das heißt?«
    »Die Lunar Agency sollte unmöglich machen, daß sich Informationen vom Mond verschaffen ließen. Nun ist das Ende vom Lied, daß sie selber eben das tun soll. Deswegen fliegen Sie hin. Entweder kehren Sie mit leeren Händen oder mit Neuigkeiten zurück, die größere Zerstörungskraft haben als Atombomben. Was ziehen Sie vor?«
    »Moment. Bitte sprechen Sie nicht in Andeutungen. Halten Sie Ihre Kollegen für die Vertreter irgendwelcher Geheimdienste? Für Agenten? Ja?«
    »Nein. Aber Sie können es dahin kommen lassen.«
    »Ich?«
    »Jawohl. Das seit dem Genfer Vertrag bestehende Gleichgewicht ist labil. Sie können nach Ihrer Rückkehr die alte Bedrohung in eine neue verwandeln. Sie dürfen nicht der Erlöser der Welt werden, kein Verkünder des Friedens.«
    »Warum nicht?«
    »Das Programm, die irdischen Konflikte auf den Mond auszulagern, war schon im Keim verdorben. Anders konnte es nicht sein. Rüstungskontrolle war durch die Wende zur Mikrominiaturisierung unmöglich geworden. Raketen und künstliche Satelliten lassen sich zählen, künstliche Bakterien aber nicht, ebensowenig wie sich feststellen läßt, ob eine Naturkatastrophe künstlich ausgelöst wurde oder was den Rückgang des Bevölkerungszuwachses in der Dritten Welt verursacht hat. Dieser Rückgang war zwar notwendig, ließ sich aber im guten nicht realisieren. Man kann sich eine Handvoll Personen vorknöpfen und ihnen klarmachen, was für sie nützlich oder verderblich ist. Die ganze Menschheit aber können Sie nicht bei der Hand nehmen und ihr das auseinandersetzen. Stimmt’s?«
    »Was hat denn das mit dem Mond zu tun?«
    »Daß die Vernichtung nicht unmöglich gemacht, sondern nur in Raum und Zeit verschoben wurde. Das konnte nicht ewig währen. Ich habe eine neue Technologie entwickelt, die sich in der Telematik anwenden läßt: für den Bau von Dispersanten, Sendlingen also, die zur reversiblen Dispersion fähig sind. Ich wollte nicht, daß sie der Agentur dient, aber es ist nun mal geschehen.«
    Er hob die Hände, als wolle er sich ergeben.
    »Einer meiner Mitarbeiter muß es weitergegeben haben, ich weiß nicht, welcher, und halte das auch nicht für besonders wichtig. Unter großem Druck muß sich ein Leck bilden. Jede Loyalität hat ihre Grenzen.«
    Er strich mit der Hand über die blanke Kopfhaut. Der Recorder schwatzte immer noch.
    »Ich kann eines tun: den Beweis führen, daß die dispersive Telematik noch nicht anwendungsreif ist. Das kann ich machen, für ein Jahr vielleicht. Dann kommen sie hinter den Betrug. Was wollen Sie, das ich tun soll?«
    »Warum soll denn ich das entscheiden?«
    »Wenn Sie mit leeren Händen wiederkommen, wird sich niemand für Sie interessieren. Klar?«
    »Es sieht so aus.«
    »Kommen Sie aber mit Neuigkeiten, sind die Konsequenzen unabsehbar.«
    »Für mich? Mich wollen Sie retten? Aus reiner Sympathie?«
    »Nein. Um Zeit zu gewinnen.«
    »Bei der Erkundung des Mondes? Sie halten es also für ausgeschlossen, daß dort diese – diese Invasion gegen die Erde vorbereitet wird? Glauben Sie, daß dies nur eine kollektive Hysterie ist?«
    »Natürlich. Kollektive Hysterie oder nicht, auf jeden Fall Gerüchte und Bewegungen, die von einem oder mehreren Staaten in voller Absicht losgelassen werden.«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Um die Doktrin der Unkenntnis platzen zu lassen und zur alten Politik à la Clausewitz zurückkehren zu können.«
    Ich schwieg, denn weder wußte ich, was ich sagen,

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