Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Schall und Rauch.
    Wie ihr wißt oder nicht wißt, besteht die schwierigste Aufgabe der militärischen Automatisierung darin, den Waffenautomaten so zu programmieren, daß er ausschließlich Gegner attackiert. Auf der Erde hat das nie Schwierigkeiten bereitet: Dafür gab es Uniformen, bunte Zeichen auf den Tragflächen der Flugzeuge, Flaggen, die Form der Stahlhelme. Außerdem ist es wahrhaftig nicht schwer festzustellen, ob ein Kriegsgefangener niederländisch oder chinesisch spricht. Mit Automaten ist das anders, daher entstanden zwei Doktrinen, beide unter der Differentialformal FRIEND OR FOE. Die erste empfahl den Einsatz von Sensoren, analytischen Filtern, differenzierenden Selektoren und ähnlichem Diagnosegerät, während die andere sich durch vorteilhafte Einfachheit auszeichnete: Feind war jeder, der auf die Parole nicht die richtige Antwort wußte – folglich war er anzugreifen. Nun wußte freilich niemand, wie die dem Selbstlauf überlassene Evolution der Waffen auf dem Mond nun wirklich verlaufen war und wie die taktisch-strategischen Programme dort den Verbündeten vom Feind unterschieden. Übrigens sind das, wie man aus der Geschichte weiß, ohnehin relative Begriffe. Falls jemandem daran besonders gelegen ist, kann er in Standesamtsregistern und anderen Dokumenten kramen und herauskriegen, ob jemand eine arische Großmutter hatte. Will er aber feststellen, ob dieser Jemand vom Sinanthropus oder doch eher vom Paläopithecus abstammt, so ist er aufgeschmissen. Die Automatisierung der Armeen räumte überdies alle ideologischen Fragen aus. Der Roboter sucht zu vernichten, worauf das Programm ihn ausgerichtet hat, er tut das nach der Methode der Brennpunktoptimierung, der Differentialdiagnose sowie der mathematischen Regeln der Spiel- und Konflikttheorie. Aus Patriotismus tut er es nicht. Die sogenannte Militärmathematik, die im Zusammenhang mit der Automatisierung sämtlicher Waffengattungen entstand, hat ihre bedeutenden Schöpfer, aber auch ihre Häretiker. Die Fürsprecher behaupteten, es gebe Programme, die eine hundertprozentige Loyalität der Kampfroboter garantierten, so daß keine Kraft der Welt sie »umdrehen« und zum Hochverrat verleiten könne. Die Ketzer versicherten, eine derartige Garantie gebe es nicht.
    Wie immer, wenn mir ein Problem zu hoch war, hielt ich mich an den gesunden Menschenverstand. Es gibt keine Chiffre, die sich nicht dechiffrieren ließe, keinen noch so geheimen Code, den seine Knacker nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen wüßten. Die Geschichte der Computerkriminalität beweist es. Einhundertvierzehn Programmierer hatten die Chase Manhattan Bank davor gesichert, daß Unberufene an ihre Rechenzentren herankamen, und ein einziger aufgeweckter Jüngling schlich sich mit einem simplen Taschenrechner und einem ebenso simplen Telefon aus reinem Spieltrieb in die geheimsten Programme und stellte alle Bilanzen auf den Kopf. Wie ein ausgekochter Geldschrankknacker, der am Tatort auf perfide Weise ein Zeichen seiner Identität hinterläßt, um die Ermittlungsorgane zu foppen, baute jener Student in das supergeheime Programm der Bank gewissermaßen als Visitenkarte den Befehl ein, daß der Computer bei der Bilanzprüfung vor jedem SOLL und HABEN zuerst einmal ein dickes »BÄÄÄH« ausspucken sollte. Die Theoretiker der Programmierung ließen sich davon natürlich nicht beeindrucken, sondern dachten sich sofort ein Programm aus, das anders, besser, komplizierter und nicht zu knacken war. Wer dann doch damit fertig wurde, weiß ich nicht mehr. Es spielt auch gar keine Rolle für die zweite Etappe meines Himmelfahrtskommandos.
     
    Ich weiß nicht, wie der Krater hieß, in dem ich landete. Von Norden her ähnelte er dem Helvetius, von Süden her nicht. Ich sah mir den Platz erst einmal von der Umlaufbahn aus an, ausgesucht hatte ich ihn aufs Geratewohl. Vielleicht war es Niemandsland, vielleicht auch nicht. Ich hätte mit dem Astrographen spielen und die Sterne, verschiedene Neigungswinkel und sonstwas vermessen können, um die Koordinaten herauszukriegen, ich tat gut daran, mir das fürs Dessert aufzuheben. LEM Nummer zwei war viel funktionstüchtiger, als ich in der mir eigenen, immer ein Haar in der Suppe vermutenden Bedenklichkeit angenommen hatte. Ein unbestreitbares Minus hatte er aber doch: Die Klimaanlage ließ sich nur entweder voll aufdrehen oder ganz abstellen. Wenn es nur um die Regelung im Raumanzug gegangen wäre, hätte es mir nichts ausgemacht, zwischen Backofen und

Weitere Kostenlose Bücher