Frieden auf Erden
Tiefkühltruhe hin und her zu wechseln, aber damit hatte der Defekt nichts zu tun. Ich saß ja nach wie vor im Raumschiff und hätte dessen erträgliche Temperatur genießen können, nur war mit den Sensoren dieses LEM etwas nicht in Ordnung, so daß meine Haut bald mit Hitze, bald mit Kälte geschockt wurde. Ich fand nur das Mittel, jeden Augenblick den Hebel herumzuwerfen. Wenn das Raumschiff vor dem Start nicht steril gemacht worden wäre, hätte ich mir eine Grippe geholt. So blieb es nur beim Schnupfen, denn dessen Viren tragen wir unser Leben lang sowieso in der Nase mit uns herum.
Ich wußte erst selber nicht, warum ich mit der Landung so lange herumtrödelte. An der Angst konnte es nicht liegen, aber dann begriff ich den wahren Grund: Ich wußte nicht, wie der Landeplatz hieß . Als hätte der Name etwas zu sagen gehabt! Aber so ist das nun mal, und daher rührt wohl auch der Eifer, mit dem die Astronomen jeden Mond- und Marskrater getauft haben. Der Katzenjammer kam erst, als es auf anderen Planeten der Gebirge und Klüfte so viele wurden, daß dafür keine wohlklingenden Namen mehr aufzutreiben waren.
Die Gegend war flach, nur im Norden zeichneten sich am Horizont ovale Bergrücken ab. In einem hellen Aschgrau standen sie vor dem schwarzen Himmel. Es gab dort eine Unmenge Sand und nur schweres Vorwärtskommen. Ich blieb immer mal stehen, um nachzusehen, ob die Mikropen mich noch begleiteten. Sie standen so hoch, daß sie nur durch ein kurzes Aufblitzen zu erkennen, nur durch ihre rasche Bewegung von den Sternen zu unterscheiden waren. Ich befand mich nahe beim Terminator, der Tagundnachtscheide, hatte die dunkle Hälfte des Mondes aber vor mir, hinterm Horizont, der an die zwei Meilen entfernt lag. Die Sonne stand sehr niedrig, ihre gewaltige Scheibe ruhte auf dem Horizont hinter meinem Rücken. Lange Schatten schnitten parallel über das Hochplateau, in jeder noch so kleinen Bodensenke stand die Finsternis, daß ich in ein schwarzes Wasserloch zu steigen glaubte. Abwechselnd in Hitze und Frost getaucht, marschierte ich vorwärts, mitten in den gewaltigen eigenen Schatten hinein, der mich als Riesen erscheinen ließ. Ich hätte mit der Zentrale reden können, aber es gab nichts zu reden. Vivitch fragte mich alle naselang, wie es mir gehe und was ich sehe, und ich sagte immer nur: Okay, okay, nichts los.
Auf der Höhe einer sanft ansteigenden Düne lag ein Haufen ziemlich großer, flacher Steine. Ich lenkte meine Schritte dorthin, weil mir ein metallisches Blinken aufgefallen war. Es kam vom Bruchstück einer massiven, ausgebrannten Treibstufe, die noch aus der Zeit stammen mochte, da man den Mond als Ziel für Raketen zu entdecken begann. Ich sah mir das Ding an und ging weiter. Auf dem Scheitel der Anhöhe, wo es kaum noch den feinen Sand gab, der sich so sehr an die Stiefel setzt, lag flach wie ein schlecht ausgebackenes Brot einsam ein Stein. Ich fühlte mich – vielleicht aus Langeweile, vielleicht, weil er so einsam dalag – verlockt, ihm einen Tritt zu geben. Er rollte jedoch nicht den Hang hinab, sondern zersprang. Ein faustgroßes Stück sprang ab, die Bruchfläche glänzte wie reiner Quarz. Mir war auch über die chemische Zusammensetzung der Mondkruste der Schädel vollgestopft worden, aber ich konnte mich nicht erinnern, daß da auch kristalliner Quarz vorkommen sollte. Ich bückte mich, um den Fund aufzunehmen. Für Mondverhältnisse war er ziemlich schwer. Ich hielt ihn dicht vor die Augen, aber als ich nichts weiter mit ihm anzufangen wußte, warf ich ihn beiseite. Meinen Weg setzte ich dennoch nicht fort, denn eben in dem Moment, als meine Hand den Stein losgelassen hatte, gab er selbst in diesem Sonnenglast ein seltsames Blitzen ab, über die konkave Bruchfläche ging ein Wabern, als flimmerten dort mikroskopisch kleine Lichtfunken durcheinander. Ich hob ihn nicht wieder auf, beugte mich aber nieder, um ihn anzusehen. Ich tat das lange genug, um ins Blinzeln zu geraten. Was mit diesem Stein vor sich ging, konnte ja nur auf einer Sinnestäuschung meinerseits beruhen! Die von dem Bruch verursachten Scharten verloren ihren Glanz, in wenigen Sekunden waren sie erloschen. Dann schien der Stein etwas abzusondern, was diese Wunden füllte; ich hatte den Eindruck, als scheide er einen halbflüssigen Kleister aus wie ein angeritzter Baum das Harz.
Vorsichtig tauchte ich den Finger hinein, es war nicht klebrig, eher schlammig wie frisch angerührter Gips. Ich warf einen Blick auf den anderen,
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