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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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etwa nicht?«
    Er stand auf, klopfte mir schnell und sachkundig Hüften und Schenkel ab, betastete meine Taschen und entnahm ihnen meine ganze Habe, den flachen Werkzeugkasten und den Geigerzähler. Er schnallte mir den Feldspaten ab, tastete mich noch einmal, diesmal kräftiger ab, vor allem unter den Achseln, versuchte die Finger in meine Stiefelschäfte zu stecken und hörte während dieser Leibesvisitation keinen Augenblick lang auf zu reden.
    »Leiblicher Bruder, sagtest du? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sind wir beide, du und ich, denn von einer Mutter geboren? Ach, die Mutter, die Mutter … Eine Mutter, Bruder, ist ein heilig Geschöpf. Und so gütig! Auch du bist gütig, du bist sehr gütig. Du trägst keine Waffen. Schlaumeier, du mein geliebter Schlaumeier, da gehst im Walde du für dich hin, die Steinpilze stehen, daß man sie mit der Sense mähen kann, der Wald steht schwarz und schweiget, und darum kann man ihn nicht sehen. Ja, mein lieber Bruder, ich will dir helfen, gleich wirst du es leichter haben, paß mal auf! Wir sind die Menschen des Friedens, die einfachen Menschen, denen die Welt gehört.«
    Er hatte einen flachen Tornister vom Rücken genommen und aufgeklappt. Spitz zulaufende Instrumente blitzten auf. Er nahm eines, wog es in der Hand, legte es zurück und ergriff ein anderes, eine Art mächtiger Hebelschere, wie Soldaten sie beim Angriff zum Durchschneiden von Drahtverhauen verwenden. Er kehrte sie gegen mich, die Schneiden blitzten in der Sonne. Rittlings setzte er sich auf meinen Bauch, sprach: »Gott verleihe dir Gesundheit!« und stieß mir, weit ausholend, sein Werkzeug in die Brust. Es tat nicht einmal sehr weh, mein Sendling hatte äußerst wirksame Dämpfer gegen Verdrießlichkeiten. Ich zweifelte nicht mehr daran, daß mein lunarer Herzenskumpan mich ausnehmen würde wie einen Fisch, ich hätte ihm die Leiche zur Sezierung überlassen und an Bord zurückkehren sollen, war aber von dem Kontrast zwischen seinem Reden und seinem Tun so fasziniert, daß ich wie betäubt liegenblieb.
    »Warum sagst du nichts?« fragte er, während seine Schere mit einem scharfen, trockenen Knirschen in die oberste Schicht meines Raumanzugs schnitt. Das Werkzeug war von erster Güte, von unwahrscheinlich hartem Stahl.
    »Soll ich etwas sagen?« fragte ich.
    »Na los!«
    »Hyäne.«
    »Was?«
    »Schakal.«
    »Den Freund willst du beleidigen? Das ist nicht schön. Du bist mein Feind! Du bist falsch. Du bist absichtlich ohne Waffen gekommen, um mich zu täuschen. Ich wollte dir wohl, aber ein Feind muß durchsucht werden. Das gehört zu meiner Pflicht, und das ist mein Recht. Ich bin angegriffen worden. Ohne Kriegserklärung hast du unseren heiligen Boden betreten! Du bist selber schuld. ›Leiblicher Bruder‹. Von wegen, du Hundesohn! Selber schlimmer als ein Hund, beschimpfst du mich als Schakal und Hyäne, aber nicht mehr lange! Mit dem Leben blase ich dir gleich auch das Gedächtnis aus!«
    Die letzten Spangen meiner Brustrüstung gaben nach, er bog sie nach außen, sah mir ins Innere und erstarrte.
    »Hübsche kleine Geräte«, sagte er und stand auf. »Lauter Kinkerlitzchen. Ich bin ungebildet, aber unsere Gelehrten werden schon dahinterkommen. Warte du nur hier, du brauchst es nicht mehr eilig zu haben. Dich haben wir fest, mein Freund!«
    Der Boden erbebte, ich wandte, so gut es ging, den Kopf und erblickte andere gleich ihm. Sie marschierten in Karrees und warfen die Beine im Stechschritt wie bei einer Parade. Der Boden dröhnte unter diesen Tritten, und Staubwolken wirbelten auf. Mein Schinder schickte sich offenbar an, Meldung zu erstatten, denn er stand stramm in Grundstellung.
    »Tichy, melde dich! Wo steckst du?« hallte es mir in die Ohren. »Der Ton ist wieder in Ordnung. Hier ist Vivitch! Hier ist die Zentrale! Hörst du mich?«
    »Ich höre!«
    Die anderen mußten Fetzen dieses kurzen Wortwechsels mitbekommen haben, denn sie fielen in Laufschritt.
    »Weißt du, in welchem Sektor du bist?« fragte Vivitch.
    »Ich weiß es, ich habe mich soeben davon überzeugt. Ich bin gefangen! Angeschnitten wie eine Wurst!«
    »Von wem? Wer …«, hörte ich Vivitch ansetzen, aber mein Henker übertönte alle weiteren Worte.
    »Alarm!« schrie er. »Alarm! Schnappt ihn, beeilt euch!«
    »Tichy!« brüllte Vivitch wie aus weiter Ferne. »Nichts anbrennen lassen!«
    Ich verstand ihn. Es konnte nicht in unserem Interesse sein, wenn den Robotern modernste irdische Technologie in die Hände fiel. Zwar

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