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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Satelliten ausgefallen, die zwischen uns Verbindung halten sollten. Wird sofort behoben, dachte ich voller Hohn, laut sagen konnte ich es ja nicht, es kam ja nicht an. Ich warf einen letzten Blick auf die verkohlten Überreste und die sonnenbeschienenen weißen Ruinen jenseits des Dünentals, suchte den schwarzen Himmel vergeblich nach den Mikropen ab und marschierte, immer der Nase nach, auf eine riesige Gesteinsfaltung los, die sich wie der graue Leib eines gigantischen Wals aus dem Sand wölbte. Ich ging direkt auf einen im Schatten liegenden und dadurch teerschwarzen Spalt zu, der wie die Mündung einer Höhle aussah. Ich kniff die Augen zu und machte sie wieder auf und wiederholte das mehrmals, denn in dem Spalt stand jemand. Eine Gestalt, fast wie ein Mensch, untersetzt, breitschultrig, in einem khakifarbenen Raumanzug. Ich hob sogleich den Arm, vielleicht war es wieder nur ein Spiegelbild, und die Farbe des Anzugs wirkte anders durch den Schatten. Als der andere sich aber gar nicht rührte, stutzte ich. Vielleicht überfiel mich auch Furcht, zumindest jedoch eine böse Ahnung. Um Reißaus zu nehmen, war ich aber nicht hier, und wo sollte ich auch hin? Ich ging also weiter, direkt auf die Figur zu, die vollkommen einem stämmig gebauten Menschen glich.
    »Hallo«, vernahm ich eine Stimme. »Hallo! Hörst du mich?«
    »Ich höre«, sagte ich ohne übertriebene Bereitwilligkeit.
    »Komm her, komm nur, ich habe auch Sprechfunk!«
    Das klang reichlich albern, aber ich trat trotzdem näher. Der Schnitt seines Raumanzugs hatte etwas Militärisches. Auf seiner Brust kreuzten sich metallisch glänzende Gurte, seine Hände waren leer. Das ist schon mal gut, dachte ich, ging aber immer langsamer. Er kam mir entgegen und breitete die Arme aus, eine spontane, herzliche Geste, als treffe er einen alten Bekannten.
    »Sei mir gegrüßt, sei mir gegrüßt! Gott gebe dir Gesundheit … Wie schön, daß du endlich da bist! Wir wollen miteinander plaudern, ich mit dir und du mit mir, wir wollen darüber reden, wie sich der Frieden in die Welt bringen läßt. Wir wollen uns erzählen, wie es uns ergeht …«
    Er sprach mit einer vor Herzlichkeit bebenden, dabei aber sonderbar schrillen Stimme, in einem singenden Ton, die Silben dehnend. Dabei stapfte er durch den tiefen Sand auf mich zu, immer die Arme ausgebreitet wie zu einer Umarmung, und in seiner ganzen Haltung, in jeder seiner Bewegungen lag so viel Freundlichkeit, daß ich selber nicht wußte, was ich von dieser Begegnung halten sollte. Er war nur noch wenige Schritte entfernt, aber im dunklen Glas seines Helms blitzte nur die Sonne. Er nahm mich in die Arme und zog mich an sich, und so standen wir vor dem grauen Steilhang des großen Felsens. Ich suchte ihm ins Gesicht zu sehen, aber selbst aus einer Handbreit Entfernung konnte ich nichts erkennen, denn das Glas seines Visiers war undurchsichtig. Es war nicht mal Glas, eher eine glasbeschichtete Maske. Wie nahm er mich überhaupt wahr?
    »Dir wird es bei uns gefallen, mein Lieber«, sagte er und stieß mit seinem Helm gegen den meinen, als wolle er mich auf beide Wangen küssen. »Bei uns ist es schön. Wir wollen keinen Krieg, wir sind gutherzig, friedfertig, du wirst es selber sehen, geliebter Freund …« Bei den letzten Worten trat er so jäh und derb gegen mein Schienbein, daß ich der Länge lang aufs Kreuz fiel. Sofort saß er mir mit beiden Knien auf dem Bauch. Ich sah sämtliche Sterne, in des Wortes wahrster Bedeutung, alle Sterne des schwarzen Mondhimmels. Mein Freund hielt mit der Linken meinen Kopf zu Boden, mit der Rechten riß er sich die Metallgurte herunter, die sich von selbst zu hufeisenförmigen Bügeln formten. Ich gab keinen Laut von mir, ich war ziemlich ratlos, denn während er mit mächtigen, gemessenen Faustschlägen diese Bügel in den Boden trieb und damit meine Glieder an den Grund heftete, sprach er weiter: »Es wird dir gut gehen, lieber Freund. Wir sind schlichte, gute Menschen, wir sind voller Sanftmut. Ich bin dir gut, und auch du wirst mir gut sein, lieber Freund.«
    »Also kein ›leiblicher Bruder‹?« fragte ich, als ich merkte, daß ich weder Arme noch Beine bewegen konnte.
    Meine Frage brachte ihn keineswegs aus der Fassung, er blieb unvermindert herzlich.
    »Bruder?« fragte er nachdenklich, als wolle er sich das Wort auf der Zunge zergehen lassen. »Bruder? Gut, magst du ein Bruder sein! Ich bin gut, und du bist gut! Bruder um des Bruders willen! Denn wir sind Brüder. Oder

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