Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
unsichtbar für Auge, Radar und sämtliche Strahlungsarten – mit Ausnahme von Gammastrahlen. Sollte ich also in eine Falle geraten, konnte ich mich auflösen, einen taktischen Rückzug antreten und mich in gewünschter Gestalt wieder sammeln.
    Was man empfindet, wenn man eine Wolke von reichlich zweitausend Kubikmeter Rauminhalt ist, kann ich nicht wiedergeben. Um das zu verstehen, muß man eine solche Wolke gewesen sein. Der Verlust des Gesichtssinns, genauer gesagt: der optischen Sensoren, ließ sich jederzeit wettmachen, das gleiche galt für Arme, Beine, Fühler, Geräte. Ich mußte nur aufpassen, daß ich mich im Reichtum der Möglichkeiten nicht verirrte, dann nämlich konnte ich die Schuld an meinem Scheitern nur mir selber zuschreiben. Die Gelehrten hatten sich damit aller Verantwortung für die Störanfälligkeit des Sendlings entledigt – und die auf mich abgeschoben. Ich kann nicht behaupten, daß mich das in ein absolutes Hochgefühl versetzt hätte.
    Bei hochstehender Sonne landete ich am Äquator auf der abgewandten Seite des Mondes, mitten im japanischen Sektor. Ich hatte die Gestalt eines Zentauren angenommen, das heißt eines Geschöpfs, das vier untere Extremitäten und zwei Arme am Oberteil des Rumpfes besaß, dazu ein Tarnsystem, das mich als hochintelligentes Gas umhüllte. Den Namen eines Zentauren verdankte die Gestalt mangels besserer Kennzeichnung der entfernten Ähnlichkeit mit jenem Wesen, das aus der Mythologie bekannt ist.
    Obgleich ich mich auf dem Übungsplatz der Lunar Agency auch mit diesem Sendling in Pulverform vertraut gemacht hatte, prüfte ich ihn im Laderaum auf seine Funktionstüchtigkeit. Es war unglaublich, anzusehen, wie dieser große Haufen glimmernden Pulvers nach Einschaltung des entsprechenden Programms in rieselnde Bewegung geriet, sich mischte, zusammenschloß und zur georderten Gestalt formte und wie diese nach Abschalten des elektromagnetischen Feldes (oder was immer sie zusammenhielt) in einem Augenblick zerfiel wie ein Kuchen aus Sand unter einem Fußtritt. Eigentlich sollte es mir Mut machen, daß ich jederzeit zerfallen und wiedererstehen konnte, aber die Wandlungen waren eher unangenehm, jedesmal verbunden mit starkem Schwindel und heftigem Beben. Dieser Zustand hielt an, bis ich eine neue Gestalt angenommen hatte, und abzuhelfen wäre ihm, wie es hieß, nur durch eine thermonukleare Explosion in unmittelbarer Nähe gewesen. Ich hatte mich auch nach der Wahrscheinlichkeit erkundigt, daß ich mich infolge eines Defekts endgültig auflöste, bekam aber keine unmißverständliche Auskunft. Natürlich machte ich den Versuch, zwei Programme auf einmal einzuschalten; nach dem einen sollte ich mich in einen Moloch von Menschengestalt verwandeln, nach dem anderen in eine drei Meter lange, plattköpfige Raupe mit gewaltigen Greifscheren. Der Versuch schlug fehl, der Selektor der Verkörperungen arbeitete nach dem Entweder-Oder-Prinzip.
    Diesmal stand ich auf dem Mond, ohne die Mikropen im Rücken und als Reserve zu haben, ich war ja gewissermaßen selber eine Masse mikroskopisch kleiner Zyklopen (die Techniker nennen sie in ihrem Jargon auch Mikrozicken). Ich zog einen unsichtbaren Schwanz von Relaisstationen hinter mir her, eine Schleppe von Nebel, der nur sichtbar wurde, wenn er sich verdichtete. Auch mit der Fortbewegung hatte ich keine Probleme. Wißbegierig, wie ich bin, hatte ich gefragt, was denn sein würde, falls es auf dem Mond inzwischen ebenfalls solche wandlungsfähigen Automaten gebe. Eine Antwort bekam ich nicht, obgleich man auf dem Übungsgelände solche Exemplare zu zweien und sogar zu dreien aufeinander losgelassen hatte, damit sie sich vermischten wie aus verschiedenen Himmelsrichtungen aufziehende Wolken. Zu 90 Prozent bewahrten sie ihre Identität. Eine neunzigprozentige Identität ist ebenfalls nicht leicht zu erklären, man muß so was einfach erlebt haben.
    Der Erkundungsgang, den ich hier schildere, ließ sich an wie geschmiert. Ich marschierte drauflos, ohne mich nach allen Seiten umsehen zu müssen, denn ich hatte sie alle auf einmal im Auge, wenngleich seitlich und hinten in einer bestimmten Verkürzung, wie eine Biene mit ihren halbkugelförmigen Augen, die mit Tausenden Ommatidia überall gleichzeitig hingucken können. Da aber keiner meiner Leser jemals eine Biene gewesen ist, dürfte auch dieser Vergleich nicht dazu angetan sein, meine Empfindungen wiederzugeben.
    Es war das Geheimnis der einzelnen Staaten, wie sie ihre

Weitere Kostenlose Bücher