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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kriegsschauplatz schweifen. Weit weg zappelte im Sand etwas wie ein aufs Trockene geworfener, krepierender Fisch: einer der Echsenautomaten. Mühsam richtete er sich auf, Sandbäche rannen ihm vom Rücken, wie ein Känguruh oder eher wie ein Dinosaurier hockte er da, letzter Zeuge und zugleich Teilnehmer der Schlacht, die keinen Sieger gehabt hatte. Er wandte sich um und begann sich plötzlich auf der Stelle zu drehen, immer schneller, bis die Fliehkraft den langen Schwanz weit abstehen ließ. Verblüfft sah ich zu, er aber wirbelte wie ein Kreisel, daß ihm die Einzelteile vom Leibe flogen. Schließlich ging er zu Boden, überschlug sich noch einige Male, knallte mit dem letzten Purzelbaum gegen andere Wracks und gab endgültig Ruhe. Ich hatte zwar niemals theoretische Vorlesungen über das Verenden von Elektronik gehört, zweifelte aber keinen Augenblick daran, soeben Zeuge eines solchen Falles gewesen zu sein. Er ähnelte bis ins kleinste den Zuckungen eines verwundeten Insekts, und obwohl wir wissen, wie dessen Tod aussieht, können wir doch nicht wissen, ob diese letzten Zuckungen Leid und Schmerz bedeuten. Ich hatte restlos genug von diesem Schauspiel, mehr noch, ich hatte den Eindruck, auf eine schwer auszudrückende Weise hineinverwickelt zu sein, als habe ich es verschuldet. Da ich aber nicht wegen philosophisch-moralischer Reflexionen zum Mond geflogen war, biß ich kräftig die Zähne zusammen, zerriß das einende Band mit dem kläglichen Überrest des LUNAR EXCURSION MANNEQUIN NR. 3 und war im Handumdrehen zurück an Bord, um der Zentrale meinen Expeditionsbericht zu übermitteln.

VIII. Unsichtbar
    Tarantoga, dem ich diese Aufzeichnungen zu lesen gegeben habe, behauptet, ich stelle alle Personen, die meine Mission vorbereitet und überwacht haben, als Trottel oder Pfuscher hin. Dabei liefere die allgemeine Systemtheorie doch den mathematischen Nachweis, daß es kein Element oder Einzelteil gibt, das absolut zuverlässig wäre. Sollte die Störanfälligkeit des jeweiligen Elements sogar eins zu einer Million betragen, so muß ein aus einer Million Einzelteilen bestehendes System irgendwo kaputtgehen. Das System indessen, von dem ich auf dem Monde nur das Zünglein war, habe achtzehn Millionen Bestandteile gehabt, folglich sei der für die meisten meiner Schwierigkeiten verantwortliche Tölpel die Materie , denn wenn sich auch alle Experten auf den Kopf gestellt hätten und dazu samt und sonders Genies gewesen wären, so hätte es dadurch nur noch schlimmer, niemals aber besser kommen können.
    Das mag ja stimmen. Auf der anderen Seite hatte die Folgen all dieser unvermeidlichen Havarien ich auszubaden, ich allein, und sieht man es psychologisch, so wird in einer üblen Lage niemand seinen Ärger an Atomen oder Elektronen, sondern an konkreten Personen auslassen – also waren auch meine Wutausbrüche und über Funk veranstalteten Krawalle unvermeidlich.
    In den letzten LEM hatte die Zentrale besondere Hoffnungen gesetzt, denn er war ein Wunderwerk der Technik und gewährte maximale Sicherheit. Es war ein Sendling in Pulverform. Statt eines stählernen Athleten ruhte im Container ein großer Haufen mikroskopisch kleiner Körnchen, deren jedes es an intellektueller Dichte mit einem Supercomputer aufnehmen konnte. Unter dem Einfluß bestimmter Impulse begannen sich diese winzigen Dinger zu verketten, um einen LEM zu bilden. Hier bedeutete diese Abkürzung LUNAR EVASIVE MOLECULES. Ich konnte als stark zerstreute Molekülwolke landen und mich je nach Bedarf in einen Roboter von Menschengestalt oder ein anderes der 49 programmierten Geschöpfe verwandeln. Selbst wenn 85 Prozent dieser Körnchen zugrunde gingen, reichten die übrigen zur Fortsetzung des Erkundungsganges aus. Die Theorie dieses als DISPERSANTEN bezeichneten Sendlings ist so kompliziert, daß sie für keinen einzelnen Kopf zu fassen ist, und gehöre dieser selbst einem gemeinsamen Kinde Einsteins, des Prestidigitateurs von Neumann, des Wissenschaftsrats des Massachusetts Institute of Technology plus Rabindranath Tagore. Auch ich also hatte davon nicht die blasseste Ahnung. Ich wußte nur, daß ich in dreißig Milliarden Teilchen versetzt wurde, die an Vielseitigkeit jede lebende Zelle weit übertrafen, und daß vielfach gedoubelte Programme diese Teilchen zwangen, sich zu den vielfältigsten Aggregaten zusammenzufügen, die sich wiederum per Knopfdruck in ein Teilchengestöber zurückverwandeln ließen. Im Zustand der Dispersion war all das

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