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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wohl fühlen. Wir sind still und friedfertig, wir wollen keinen Krieg, der Krieg ist uns zuwider … Aus welchem Sektor kommst du eigentlich?« fragte er plötzlich in ganz anderem Ton, als habe ihn ein unverhoffter Argwohn befallen – die Spuren seiner Friedfertigkeit waren ja präsent genug. Das war wohl auch der Grund, daß er sich auf ein tauglicheres Programm schaltete: Er streckte mir seine gewaltige eiserne Rechte entgegen. Jeder Finger war eine Schußwaffe.
    »Auf den Freund willst du schießen?« fragte ich und schlug sanfte Wogen über dem Scherbenhaufen. »Na los, sei nicht knauserig, schieß los, lieber Ballermann und leiblicher Bruder, es möge dir wohlbekommen.«
    »Melde getarnten Japs!« schnarrte er und begann aus allen fünf Fingern auf mich zu feuern, daß der Putz von den Wänden stob. Vorsichtshalber senkte ich, weiter sanft über ihm wallend, mein Sprachzentrum etwas ab, damit es keinen Treffer erhielt, verlieh dem Unterteil der Wolke, die ich war, eine kompaktere Beschaffenheit und rammte damit ein kommodengroßes Computerbruchstück, daß es auf den Burschen losrutschte und eine ganze Lawine von Schrott mit sich riß.
    »Angriff!« brüllte er. »Alles Feuer auf mich! Zum Ruhme des Vaterlands!«
    »Du bist aber ein ganz Eifriger«, konnte ich gerade noch sagen, ehe ich mich restlos in eine Wolke verwandelte, genau zum rechten Zeitpunkt, denn es rumste gewaltig, der Trümmerberg erbebte, und aus seinem Innern brachen Flammen. Mein aufopferungswilliger Gesprächspartner stand in bläulichem Glanz, wurde weißglühend und nachher schwarz, stieß mit dem letzten Atemzug aber noch hervor: »Zum Ruhme des Vaterlands!«
    Dann löste er sich auf. Erst gingen die Arme flöten, dann platzte vor Hitze der Brustkorb und ließ für einen winzigen Moment seltsam primitive, mit Bast verflochtene Kupferdrähte sehen. Zuletzt fiel das Härteste: der Kopf. Er platzte auf wie eine gewaltige taube Nuß – und war tatsächlich hohl. Der Rumpf, wie gesagt, stand wie ein brennender Mast, ging in Rauch auf und fiel in Asche.
    Obgleich ich nur ein Dunst war, spürte ich aus der Ruine eine Glut schlagen wie aus dem Krater eines Vulkans. Ich zog mich an die Wand zurück und wartete ab, aber es blickte kein neuer Gesprächspartner aus der Lohe, die emporwaberte, daß die bisher unversehrt gebliebenen Leuchtröhren an der Decke platzten. Splitter und Leitungsreste fielen auf den Schutt, zugleich wurde es immer dunkler, und dieser einstmals so ordentliche, kreisrunde Raum erinnerte an den Schauplatz eines Hexensabbats, beleuchtet von der blauen Flamme, die unentwegt loderte und mich durch ihren Zug zu rösten drohte. Ich sah, daß hier nichts mehr zu erkunden war, sammelte mich und floß hinaus in den Korridor. Die Japaner hatten mit Sicherheit noch andere Zentren der Rüstungsindustrie in Reserve, ein zur Reserve gehörender und daher weniger wichtiger Komplex konnte auch dieser vernichtete gewesen sein, aber ich hielt es für geraten, das Freie zu gewinnen und vor der nächsten Etappe der Erkundung die Zentrale zu verständigen.
    Unterwegs stieß ich auf nichts, was mich aufgehalten hätte. Durch den Korridor kam ich an die Panzertür, durch deren Schlüsselloch auf die andere Seite, dann ließ ich auch das Gitter hinter mir, nicht ohne voller Mitleid noch einmal die Warntafeln zu überfliegen, die keinen Schuß Pulver wert waren. Endlich schimmerte hell die unregelmäßige Öffnung der Höhle. Erst hier nahm ich eine Gestalt an, die der eines Menschen nahekam. Irgendwie war ein Gefühl der Sehnsucht in mir erwacht, eine neue, bisher nie gekannte Nostalgie. Ich suchte einen Stein, der sich als Sitz zum Ausruhen eignete, geriet aber in einen zunehmenden inneren Zwiespalt: Ich bekam immer größeren Hunger, konnte als Sendling aber nichts zu mir nehmen. Ich hätte, um schnell mal einen Happen essen zu können, diesen vielseitigen Sendling seinem Schicksal überlassen müssen, und das wäre schade gewesen. Ich verschob es also, wollte erst einmal meine Auftraggeber verständigen, ehe ich das Gerät in einem sicheren Versteck unterbrachte und mir eine Mahlzeit leistete.
    Ich rief Vivitch, erhielt aber keine Antwort. Ich rief und rief – Totenstille. Ich prüfte mit dem Geigerzähler, ob ich etwa auch hier durch ionisiertes Gas abgeschirmt war. Vielleicht gelangten die Kurzwellen nicht aus der schmalen Kluft, ich verwandelte mich – mit einem gewissen Widerwillen – zurück in eine Wolke, schoß kerzengerade empor

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