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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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in die schwarze Himmelskuppel und rief erneut die Erde, diesmal als Vogel. Freilich, ich war kein Vogel, ohne Luft tragen Flügel nicht, aber mir ist das so herausgefahren, weil es besser klingt.

IX. Besuche
    Wie in Trance kam ich von meinem verunglückten Einkaufsbummel zurück. Ich weiß selber nicht mehr, wie ich auf mein Zimmer fand, so sehr suchte ich zu begreifen, was vor dem Warenhaus passiert war. Da ich nicht die geringste Lust hatte, mich mit Gramer und Konsorten an den Tisch zu setzen, aß ich das ganze im Schreibtischfach aufbewahrte Teegebäck auf und spülte mit Coca-Cola nach. Draußen dunkelte es bereits, als jemand an die Tür klopfte. Im Glauben, es sei Hous, öffnete ich. Vor mir stand ein fremder Herr im dunklen Anzug, eine flache schwarze Tasche in der Hand. Ich weiß auch nicht, warum ich ihn automatisch für einen Bestattungsunternehmer hielt.
    »Darf ich eintreten?« fragte er, ich trat wortlos zurück, er setzte sich, ohne sich umzusehen, auf den Stuhl, über dem mein Schlafanzug hing, nahm die Aktentasche auf die Knie, packte einen dicken Stoß von Papieren aus, setzte sich eine altmodische Brille auf und sah mich eine ganze Weile schweigend an. Seine Haare waren fast weiß, die Augenbrauen aber schwarz. Er hatte blutleere Lippen, die Mundwinkel in dem hageren Gesicht zeigten nach unten. Ich stand reglos am Schreibtisch, und er legte eine Visitenkarte vor mich hin. »Professor Dr. Allan Shapiro I. C. G. D.« konnte ich lesen, Anschrift und Telefonnummer aber waren sehr klein gedruckt und nicht zu entziffern, in die Hand nehmen wollte ich das Kärtchen jedoch nicht. Mich erfaßten Gleichgültigkeit und Überdruß, ich hätte am liebsten schlafen mögen.
    »Ich bin Neurologe«, sagte er, »und ziemlich bekannt.«
    »Ich glaube, ich habe was von Ihnen gelesen«, brummelte ich unsicher. »Kallotomie, nicht wahr, Lateralisierung der Gehirnfunktionen?«
    »Ja. Ich bin auch Berater der Lunar Agency. Mir haben Sie es zu danken, daß Sie nach Belieben schalten und walten können. Ich vertrete die Ansicht, daß Sie im jetzigen Zustand beschützt werden müssen, mehr aber nicht. Der Fluchtversuch war kindisch. Sie müssen das verstehen, Sie sind der Träger eines Schatzes, der gar nicht mit Geld zu bezahlen ist. Ein Geheimnisträger , wie die Deutschen sagen. Alle Ihre Bewegungen sind unablässig verfolgt worden, und das nicht nur von der Agentur. Bisher, Herr Tichy, wurden acht Versuche vereitelt, Sie zu entführen. Bereits auf dem Flug nach Australien standen Sie unter der Beobachtung durch Spezialsatelliten, die nicht nur uns gehörten. Ich bin mit meiner ganzen Autorität gegen die Forderungen der Politiker aufgetreten, denen die Agentur untersteht. Man wollte Sie festnehmen, unter Kuratel stellen und so weiter. Die von Ihrem Freund eingeholten juristischen Ratschläge sind völlig wertlos. Wenn es um einen ausreichend hohen Einsatz geht, verliert das Recht seine Gültigkeit. Solange Sie am Leben sind, befinden sich alle – alle interessierten Seiten – in einem Zustand des Patt. Das kann keinen Bestand haben: Wenn man Sie nicht zu fassen kriegt, wird man Sie töten.«
    »Wer ist ›man‹?« fragte ich, sah ihn an und wunderte mich gar nicht. Der Besuch versprach länger zu dauern, ich warf einen Stapel Zeitungen und Bücher vom Sessel und setzte mich.
    »Das spielt keine Rolle. Sie jedenfalls haben, nicht nur meiner Ansicht nach, Ihren guten Willen gezeigt. Ihr offizieller Bericht ist mit dem verglichen worden, was Sie hier geschrieben und in dem Konservenglas vergraben haben. Überdies verfügt die Agentur über einen tertium comparationis in Form sämtlicher Mitschnitte Ihres Funkverkehrs mit der Zentrale.«
    »Na und?« fragte ich, weniger aus Neugier, sondern weil er eine Pause machte.
    »Teils haben Sie die Wahrheit geschrieben, teils müssen Sie konfabuliert haben. Nicht vorsätzlich, Sie haben geglaubt, was im Bericht steht und was Sie hier verfaßt haben. Wenn im Gedächtnis Lücken auftreten, ist jeder normale Mensch bemüht, sie auszufüllen. Das geschieht ganz unbewußt. Übrigens kann man gar nicht wissen, ob Ihre rechte Gehirnhälfte tatsächlich eine Schatzkammer ist.«
    »Das heißt?«
    »Die Kallotomie brauchte kein Werk des Zufalls zu sein.«
    »Sondern?«
    »Ein Ablenkungsmanöver.«
    »Von wessen Seite? Des Mondes?«
    »Das ist durchaus möglich.«
    »Ist es denn aber wieder so wichtig?« fragte ich. »Die Agentur kann doch weitere Kundschafter

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