Frieden auf Erden
einmal rate ich Ihnen davon ab, dem Wunsche Shapiros zu folgen. Eine schlimmere Wahl könnten Sie gar nicht treffen.«
Ich sagte nichts dazu, und Gramer schlug wieder sein leises Gelächter an. Er war sichtlich bester Laune. Seine Stimme klang anders, nicht mehr schleppend wie bisher. Er wurde nicht weitschweifig, sicher war er alles andere als dämlich.
»Sie halten mich für den ›Vertreter eines fremden Geheimdienstes‹, was?« fragte er und schlug mir vertraulich auf die Schulter. »Ich kann verstehen, daß ich in Ihnen achtzehnfaches Mißtrauen errege, aber ich will sogleich Ihren Verstand ansprechen. Nehmen wir an, Sie folgen Shapiros gutem Rat. Man nimmt Sie in die Mangel, natürlich keinerlei Quälerei, gottbehüte, Sie werden in der dortigen Klinik behandelt wie der Präsident. Man zieht aus Ihrem Kopf, aus der rechten Hälfte, etwas heraus oder auch nicht, von Wichtigkeit wird das ohnehin nicht sein, weil das Verdikt bereits feststeht.«
»Was für ein Verdikt?«
»Die Diagnose, der Befund der wissenschaftlichen Auskultation, und es macht keinen Unterschied, ob diese nun über den Arm, das Bein oder die Ferse angestellt worden ist. Bitte unterbrechen Sie mich nicht, dann erfahren Sie alles. Alles, was bereits bekannt ist.«
Er machte eine kleine Pause, als warte er mein Einverständnis ab. Wir saßen im Dunkeln, bis ich plötzlich feststellte: »Doktor Hous könnte kommen.«
»Nein. Niemand kann kommen, machen Sie sich keine Sorgen. Wir spielen hier nicht Indianer. Hören Sie mich endlich an. Auf dem Mond haben sich die Programme verschiedener Seiten ineinander verkeilt und verbissen, sie haben sich vermischt, und wer als erster angefangen hat, ist unwichtig, zumindest jetzt. Im Effekt ist dort, wenn ich es einfach ausdrücken soll, eine Art die Oberfläche überziehender Krebs entstanden. Gegenseitige, ungeordnete Vernichtung, verschiedene Phasen unterschiedlicher Simulation und Rüstungsproduktion, alles wieder verschieden in den jeweiligen Sektoren. Das hat einander durchdrungen, überlagert, angegriffen, gekontert – nennen Sie es, wie Sie wollen.«
»Der Mond ist also übergeschnappt.«
»Gewissermaßen, in gewissem Sinne. Zur gleichen Zeit jedoch, als das Programmierte und das aus den Programmen Entstandene in Trümmer ging, setzten völlig neue Prozesse ein, die niemand vermuten konnte, auf der Erde absolut niemand.«
»Was für Prozesse?«
Gramer holte tief Luft. »Ich möchte gerne eine Zigarette rauchen«, sagte er, »aber ich darf es nicht, weil Sie Nichtraucher sind. Was für Prozesse? Die erste Spur haben Sie mitgebracht.«
»Den Staub auf meinem Raumanzug?«
»Sie haben es erraten. Das sind keine Staubkörner, sondern Silikonpolymere. Wie die Fachleute behaupten, die Anfänge einer Ordogenese, einer Nekroorganisation. Man hat dafür schon viele Fachausdrücke erfunden, jedenfalls stellt das, was dort geschieht, für die Erde keinerlei Bedrohung dar, ruft aber eben durch seine Harmlosigkeit eine Gefahr auf den Plan, die sich die Agentur nicht wünscht.«
»Ich verstehe nicht.«
»Die Agentur steht auf Wacht für die Doktrin der Unkenntnis, nicht wahr? Es gibt Staaten, die diese Doktrin, diese ganze Geschichte mit der Auslagerung der Rüstung auf den Mond, zu Fall bringen wollen. Nun, das ist nicht richtig ausgedrückt, es ist komplizierter: Es gibt verschiedene ›pressure groups‹ und Geschäftsinteressen. Die einen wollen die Panik unter der Schlagzeile ›Invasion vom Mond‹ weiter anheizen, damit innerhalb oder außerhalb der UNO eine Koalition entsteht, die bereit ist, gegen den Mond loszuschlagen – entweder auf traditionelle, also thermonukleare Weise oder, weniger klassisch, mit der neuen, kollaptischen Methode. Fragen Sie mich jetzt nicht, worum es sich bei dieser Technik handelt, wir können ein andermal darüber reden. Es geht diesen Gruppen also darum, in großem Maßstab zu rüsten aus einer allgemeinen, irdischen, supranationalen Staatsräson, denn wenn eine Invasion droht, muß sie im Keim erstickt werden.«
»Aber die Agentur will das nicht?«
»Die Agentur ist selbst in sich zerstritten, jede dieser widersprüchlichen Interessen hat ihre Lobby. Anders konnte es ja auch gar nicht sein. Ein großer, vielleicht der höchste Trumpf in diesem Spiel sind Sie.«
»Ich? Durch mein Unglück?«
»Genau. Was Shapiro und sein Team aus Ihnen herausholen, läßt sich ja nicht nachprüfen. Außer einigen wenigen wird niemand wissen, ob tatsächlich aussagekräftige,
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