Frieden auf Erden
jemand anderes kann wissen, welchen Gang die Ereignisse auf dem Mond im weiteren nahmen. In diesem Sanatorium sind Sie so sicher wie in einem Käfig voller Tiger. Selbst wenn Sie in dieser Feststellung etwas Unwahres finden, können Sie nicht hier sitzen bleiben bis in alle Ewigkeit.«
»Wir reden nun so lange miteinander und drehen uns dauernd im Kreis«, sagte ich. »Sie wollen, daß ich mich, wenn ich es so nennen darf, Ihrer Fürsorge anvertraue.« Ich zeigte mit dem Finger auf meine rechte Schläfe.
»Ich bin der Ansicht, daß Sie das tun sollten. Es dürfte, wie ich finde, weder der Agentur noch Ihnen viel nützen, aber ich sehe es als das Günstigste an.«
»Ihre Skepsis soll wohl mein Vertrauen wecken«, murmelte ich vor mich hin, als denke ich halblaut. »Sind die Folgen der Kallotomie ganz bestimmt nicht reparabel?«
»Falls es sich um eine chirurgische Kallotomie handelt, so wachsen die durchtrennten weißen Fasern nicht wieder zusammen. Das geht einfach nicht. Andererseits ist bei Ihnen keine Schädeltrepanation vorgenommen worden …«
»Ich verstehe«, sagte ich nach kurzem Besinnen. »Sie wollen in mir die Hoffnung wecken, daß da etwas anderes vorliegt – entweder wollen Sie mich damit ködern, oder Sie glauben selber ein bißchen daran.«
»Und Ihre Entscheidung?«
»Ich teile sie Ihnen in den nächsten achtundvierzig Stunden mit. Einverstanden?«
Er nickte und wies auf die Visitenkarte auf dem Tisch.
»Dort steht meine Telefonnummer.«
»Was denn, wir wollen uns verständigen, daß jeder mithören kann?«
»Ja und nein. Der Hörer wird nicht abgenommen. Sie warten zehn Rufzeichen ab, wählen die Nummer nach einer Minute wieder und lassen es erneut zehnmal klingeln. Das genügt.«
»Das bedeutet mein Einverständnis?«
Er nickte und stand auf. »Alles andere ist unsere Sache, und für mich wird es jetzt Zeit. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
Als er fort war, stand ich noch eine Zeitlang mitten im Zimmer und stierte gedankenlos auf den Fenstervorhang. Plötzlich erlosch die Deckenlampe. Durchgebrannt, dachte ich, aber als ich aus dem Fenster lugte, sah ich auch die Umrisse sämtlicher Sanatoriumsgebäude im Dunkeln liegen. Selbst die fernen Lampen, die sonst von der Autobahnabfahrt herüberblinkten, waren aus. Offensichtlich also eine größere Havarie. Ich hatte keine Lust, nach einer Taschenlampe oder Kerze herumzulaufen, die Uhr zeigte elf, ich zog die Fenstervorhänge auf, um mich im schwachen Licht des Mondes auszuziehen und dann in mein kleines Badezimmer unter die Dusche zu gehen. Ich wollte statt des Pyjamas meinen Hausmantel anziehen, öffnete den Kleiderschrank und erstarrte. Da stand einer drin, klein, dick, fast glatzköpfig, reglos wie eine Statue, und hielt einen Finger vor den Mund.
»Adelaide«, raunte ich, als ich Gramer erkannte, sprach aber nicht weiter, weil er mir mit dem Finger drohte. Schweigend wies er aufs Fenster. Da ich mich nicht rührte, ließ er sich auf alle viere nieder und kroch aus dem Schrank, um den Schreibtisch herum zum Fenster, wo er – immer in gebückter Haltung – sorgfältig wieder die Vorhänge zuzog. Es wurde so finster, daß ich gerade noch ausmachen konnte, wie er auf den Knien zum Schrank zurückkehrte und einen flachen Quader hervorzog, den ich, als mein Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, als einen kleinen Koffer erkannte. Gramer klappte ihn auf, zog irgendwelche Schnüre und Strippen heraus und steckte etwas zusammen. Es gab einen Klick, und Gramer, immer noch auf dem Teppich hockend, wisperte mir zu: »Setzen Sie sich zu mir, Tichy, dann reden wir miteinander …«
Ich war so verblüfft, daß ich kein Wort herausbrachte, setzte mich aber hin. Gramer rückte heran, daß unsere Knie sich berührten, und sagte leise, aber nicht mehr flüsternd: »Wir haben mindestens 45 Minuten, wenn nicht gar eine Stunde, ehe der Strom wiederkommt. Ein Teil der Abhöranlage hat ein eigenes Aggregat, aber nur für Idioten. Wir sind erstklassig abgeschirmt. Sie können Gramer zu mir sagen, Tichy, Sie haben sich ja schon eingewöhnt …«
»Wer sind Sie?« fragte ich und hörte ihn daraufhin leise lachen.
»Ihr Schutzengel.«
»Wieso das? Sie stecken doch schon lange hier, nicht wahr? Woher konnten Sie wissen, daß ich herkommen würde? Tarantoga hat doch …«
»Die Neugier ist die erste Stufe in die Hölle«, sprach Gramer verträglich. »Lassen wir beiseite, woher, wie und warum, wir haben wichtigere Dinge am Hals. Zuerst
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