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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die Diagnose nur in Frage stellen, und sogleich werden sich bedeutende Fachleute wie eine Mauer hinter Sie stellen und neue Untersuchungen verlangen. Dann wird sich nicht einmal mehr der Teufel auskennen.«
    »Da Sie dies so durchschauen, warum sehen es dann Shapiros Leute nicht?«
    »Was können die denn in der entstandenen Situation anderes tun, als Sie zu den Untersuchungen zu beschwatzen? Alle stecken, obwohl sie auf verschiedenen Positionen stehen, in einer Zwangslage.«
    »Und wenn ich umgebracht würde?«
    »Dann wäre es auch nicht gut. Selbst wenn Sie lupenrein Selbstmord begehen würden, verbreitete sich über die ganze Welt der Verdacht, Sie seien ermordet worden.«
    »Ich glaube nicht, daß sich nicht wiederholen ließe, was mir auf dem Mond gelungen ist. Shapiro sagte zwar, man habe es versucht und es sei nichts herausgekommen, aber solche Expeditionen lassen sich doch immer wieder machen.«
    »Gewiß, aber auch das ist ein Labyrinth. Das wundert Sie? Tichy, wir haben nicht mehr viel Zeit. Fälschen läßt sich absolut alles , auch die Ergebnisse von Mondflügen. Weltweit ist ein komplettes Patt entstanden, es gibt keinerlei Spielraum, der die Erhaltung des Friedens garantiert. Es gibt nur verschiedene Arten des Risikos.«
    »Und was raten Sie mir als mein Schutzengel?«
    »Ich rate Ihnen, auf niemandes Ratschläge zu hören. Auch die meinen brauchen Sie nicht zu beachten. Ich vertrete bestimmte Interessen, daraus mache ich gar kein Hehl, mich hat weder der Herrgott noch die Vorsehung zu Ihnen geschickt, sondern eine Seite, der nicht an einer Wiederaufnahme der Rüstung gelegen ist.«
    »Nehmen wir es an. Was soll ich den Empfehlungen dieser Seite zufolge tun?«
    »Vorläufig nichts, gar nichts. Bleiben Sie hier sitzen. Rufen Sie Shapiro nicht an. Treffen Sie sich weiter mit dem verrückten alten Gramer. In den nächsten paar Wochen oder gar nur Tagen werden wir weitersehen.«
    »Warum soll ich Ihnen glauben?«
    »Ich sagte schon, daß Sie mir überhaupt nicht zu glauben brauchen, und habe nur die allgemeine Lage skizziert. Das einzige, was sich tun ließ, war, auf ein Stündchen das zuständige Hauptumspannwerk ausfallen zu lassen, jetzt aber nehme ich meinen elektronischen Krempel und gehe zu Bett, denn immerhin bin ich ein Millionär, der unter Depressionen leidet. Wußten Sie das nicht? Auf Wiedersehen, Jonathan.«
    »Auf Wiedersehen, Adelaide.«
    Gramer kroch zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Auf dem Flur stand jemand und machte ihm, wie ich zu sehen glaubte, ein Zeichen. Gramer erhob sich, trat hinaus und schloß hinter sich leise die Tür. Ich blieb mit eingeschlafenen Beinen sitzen, bis das Licht wieder aufflammte. Ich löschte es und ging zu Bett.
    Auf dem Fußboden, dort, wo Gramer gesessen hatte, blinkte etwas wie ein abgeplatteter Ring. Ich sah ihn mir näher an. In der Öffnung steckte ein Papierröllchen. Ich wickelte es auseinander. »Für den Notfall«, teilten krumme, wie in großer Eile geschriebene Buchstaben mit. Ich warf das Papier weg und suchte den Ring anzustecken. Er war von einem grauen metallischen Glanz, sonderbar schwer, wie von Blei. Auf einer Seite ausgebaucht, wie eine Bohne mit einem winzigen Loch, mit einer spitzen Nadel hineingestochen. Er paßte an keinen anderen Finger als an den kleinen.
    Ich weiß nicht, warum dieser Ring mich stärker beunruhigte als die beiden voraufgegangenen Besuche. Wozu mochte er dienen? Ich fuhr mit ihm über die Fensterscheibe, aber er hinterließ weder eine Spur noch einen Ritz. Zuletzt leckte ich sogar daran – er schmeckte salzig. Sollte ich ihn anstecken oder nicht? Ich tat es schließlich, es machte einige Mühe, dann sah ich nach der Uhr. Mitternacht war vorüber, der Schlaf aber wollte nicht kommen. Ich wußte wahrhaftig nicht, über welche meiner Kalamitäten ich zuerst nachdenken sollte. Sorge bereitete mir sogar, daß linker Arm und linkes Bein sich so ruhig verhielten, und im Halbschlaf kam mir ihre Untätigkeit schon wie eine weitere Falle vor, die mir diesmal von innen her gestellt wurde. Wie es zuweilen vorkommt, träumte ich, ich könne nicht einschlafen, oder ich war eingeschlafen und glaubte zu wachen. Ich weiß nicht, wie lange ich mich mit der Frage herumquälte, ob ich nun schlief oder nicht, jedenfalls wurde es auf einmal heller. Der Morgen graut, dachte ich, ein paar Stunden muß ich also doch geschlafen haben. Das Licht sickerte jedoch nicht durch die Fenstervorhänge, sondern drang unter der Tür

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