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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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daß Gage hinfiele -- wenn kleine Kinder rannten, fielen sie fast immer hin, weil ein Kind erst im Alter von sieben oder acht Jahren die vollständige Kontrolle über seine Beine gewinnt. Louis betete zu Gott, daß Gage hinfiele, hinstürzte, ja, hinstürzte und sich die Nase blutig schlüge, sich den Schädel bräche, genäht werden müßte, denn jetzt hörte er das Dröhnen eines näherkommenden Lastwagens, eines dieser großen, zehnrädrigen Laster, die unablässig zwischen Bangor und der Orinco-Fabrik bei Orrington hin- und herfuhren, und da hatte er Gages Namen geschrien und geglaubt, Gage hätte ihn gehört und versucht, anzuhalten. Gage schien begriffen zu haben, daß das Spiel vorbei war, daß die Eltern einen nicht so anschrien, wenn es nur ein Spiel war, und er hatte versucht, anzuhalten, und inzwischen war das Dröhnen des Lasters sehr laut, ein Dröhnen, das die ganze Welt zu erfüllen schien. Ein Donnern. Louis hatte sich mit einem gewaltigen Hechtsprung nach vorn geworfen, sein Schatten glitt über den Boden unter ihm, wie der Schatten des Geiers an jenem Märztag über das spätwinterlich weiße Gras von Mrs. Vintons Feld geglitten war, und er glaubte, mit den Fingerspitzen den Rücken von Gages leichter Jacke berührt zu haben, und dann hatte der Schwung des Rennens Gage auf die Straße getragen, und der Laster war Donner gewesen, der Laster war Sonne gewesen auf funkelndem Chrom, der Laster war das tiefe, durchdringende Tuten eines Signalhorns gewesen, und das war am Samstag gewesen, vor drei Tagen.
    »Ich bin in Ordnung«, sagte er zu Steve. »Ich muß jetzt los.«
    »Wenn Sie sich zusammennehmen und ihnen helfen können«, sagte Steve und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, »dann helfen Sie auch sich selbst. Ihr drei müßt es gemeinsam durchstehen, Louis. Das ist die einzige Möglichkeit. Anders geht es nicht.«
    »Richtig«, pflichtete Louis ihm bei und in seinen Gedanken lief alles von neuem ab, nur sprang er diesmal zum Schluß einen halben Meter weiter nach rechts, bekam den Rücken von Gages Jacke zu fassen, riß ihn zurück, und nichts von alledem geschah.
     
     
    Der Vorfall im Ostsalon des Bestattungsinstituts von Brookings-Smith blieb Ellie erspart, Rachel dagegen nicht. Ellie spielte um diese Zeit mit Jud Crandall Monopoly und schob ihre Steine ziellos -- und stumm -- auf dem Brett herum. Sie würfelte mit einer Hand und hielt das Polaroid-Photo von sich und Gage auf dem Schlitten fest in der anderen.
    Steve Masterton war zu dem Schluß gekommen, daß Rachel an der nachmittäglichen Besuchszeit teilnehmen könnte -- ein Schluß, den er angesichts der späteren Ereignisse zutiefst bereute.
    Die Goldmans waren am Morgen mit dem Flugzeug in Bangor eingetroffen und im Holiday Inn abgestiegen. Rachels Vater hatte inzwischen viermal angerufen. Steve mußte dem alten Mann gegenüber immer standhafter sein -- beim vierten Anruf mußte er ihm fast drohen. Irwin Goldman wollte kommen und erklärte, alle Hunde der Hölle könnten ihn nicht davon abhalten, seiner Tochter in ihrer Not beizustehen. Steve erwiderte, Rachel brauchte Ruhe, bevor sie im Bestattungsinstitut erscheinen könnte, um ihren Schock so weit wie möglich zu überwinden. Über die Hunde der Hölle sei er nicht informiert, sagte er, aber er kenne einen schwedisch-amerikanischen Arzthelfer, der nicht daran dächte, jemanden ins Haus der Creeds einzulassen, bevor Rachel von sich aus bereit war, in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Nach der Besuchszeit am Nachmittag würde er mit dem größten Vergnügen das Feld dem familiären Unterstützungssystem räumen, aber bis dahin sollte sie in Ruhe gelassen werden.
    Der alte Mann fluchte auf Jiddisch, knallte den Hörer auf die Gabel und beendete damit das Gespräch. Steve wartete, ob Goldman tatsächlich erschien, aber anscheinend hatte er sich zum Abwarten entschlossen. Gegen Mittag schien es Rachel etwas besser zu gehen. Sie war sich zumindest des zeitlichen Rahmens bewußt, in dem sie sich befand, und sie war in die Küche gegangen, um nachzusehen, ob für die Nachfeier irgendwelcher Belag für Sandwiches da war. Die Leute würden doch hinterher ins Haus kommen wollen, oder nicht? Sie fragte Steve.
    Steve nickte.
    Salami oder kaltes Roastbeef waren nicht da, aber in der Tiefkühltruhe war ein Butterball-Puter, und sie legte ihn zum Auftauen auf das Ablaufbrett. Ein paar Minuten später schaute Steve wieder in die Küche und sah sie weinend am Ausguß stehen, den Blick auf den

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