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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ellie gezogenen Schlitten saß und aus der Kapuze seiner Skiparka heraus grinste. Rachel hatte einen Augenblick getroffen, in dem Ellie über die Schulter schaute und Gage zulächelte. Gage grinste zurück.
    Ellie hatte das Photo bei sich, aber sie redete kaum. Es war, als hätte der Tod ihres Bruders auf der Straße vorm Haus den größten Teil ihres Wortschatzes ausgelöscht.
    Louis war unfähig, den Zustand zu erkennen, in dem sich seine Frau und seine Tochter befanden. Er verzehrte sein Frühstück, und in seinen Gedanken spielte sich der Unfall immer und immer wieder ab; nur hatte der Film in seinem Kopf ein anderes Ende. In dem Film in seinem Kopf war er schneller, und was passierte, war nur, daß Gage eine Tracht Prügel bekam, weil er nicht stehengeblieben war, als sie schrien.
    Es war Steve, der erkannte, wie es um Rachel und Ellie stand. Er verbot Rachel, zur vormittäglichen Besichtigungszeit ins Bestattungsinstitut zu gehen (obwohl von »besichtigen« nicht die Rede sein konnte, weil der Sarg geschlossen war; wäre er offen, dachte Louis, würden alle, auch er selbst, laut schreiend aus dem Raum rennen), und Ellie verbot er die Teilnahme überhaupt. Rachel protestierte. Ellie saß nur da, stumm und ernst, das Photo von ihr und Gage in der Hand.
    Es war Steve, der Rachel die Spritze gab, die sie brauchte; Ellie gab er einen Teelöffel mit einer farblosen Flüssigkeit. Gewöhnlich heulte Ellie und weigerte sich, ein Medikament -- irgendein Medikament -- einzunehmen, aber jetzt nahm sie es schweigend, ohne das Gesicht zu verziehen. Um zehn an diesem Morgen lag sie schlafend in ihrem Bett (das Photo von sich und Gage noch in der Hand), und Rachel saß vor dem Fernseher, in dem »Wheel of Fortune« lief. Auf Steves Fragen reagierte sie nur langsam Sie war betäubt, aber ihr Gesicht hatte diesen nachdenklichen Ausdruck des Wahnsinns verloren, der Steve so beunruhigt -- und geängstigt -- hatte, als er an diesem Morgen um Viertel nach acht eintraf.
    Natürlich hatte Jud alle Anordnungen getroffen. Er traf sie mit der gleichen gelassenen Tatkraft, die er drei Monate zuvor beim Tod seiner Frau bewiesen hatte. Aber es war Steve Masterton, der Louis beiseitenahm, bevor Louis sich auf den Weg zum Begrabnisinstitut machte.
    »Ich werde sehen, daß sie am Nachmittag mitkommt, wenn sie dazu imstande ist«, erklärte er Louis.
    »Gut.«
    »Bis dahin hat die Wirkung der Spritze nachgelassen. Ihr Freund Crandall hat gesagt, daß er während der Besuchszeit am Nachmittag bei Ellie bleibt...«
    »Gut.«
    »... und mit ihr Monopoly spielt oder sonst etwas...«
    »Gut.«
    »Aber...«
    »Gut.«
    Steve brach ab. Sie standen in der Garage, Churchs Revier, in das er seine toten Vögel und Ratten brachte. Draußen schien die Maisonne, und über das Ende der Auffahrt hüpfte ein Rotkehlchen, als hätte es etwas Wichtiges zu erledigen.
    »Louis«, sagte Steve. »Sie müssen sich zusammenreißen.«
    Louis sah Steve höflich fragend an. Von dem, was Steve gesagt hatte, war ihm nicht viel bewußt geworden. Er hatte daran gedacht, daß er das Leben seines Sohnes hätte retten können, wenn er nur ein bißchen schneller gewesen wäre. Aber etwas von diesem letzten Satz drang durch.
    »Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben«, sagte Steve, »aber Ellie hat es die Sprache verschlagen. Und Rachel hat einen solchen Schock erlitten, daß ihre Zeitbegriffe völlig durcheinandergeraten sind.«
    »Ja!« sagte Louis. Eine etwas kraftvollere Antwort schien ihm angebracht, aber er wußte nicht, warum.
    Steve legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lou«, sagte er, »sie brauchen Sie mehr als je zuvor. Vielleicht sogar mehr, als sie Sie in Zukunft brauchen werden. Bitte, Louis -- ich kann Ihrer Frau eine Spritze geben, aber Sie -- sehen Sie, Louis, Sie müssen -- oh, Gott, Louis, was ist das für eine gottverdammte, hirnverbrannte Scheiße!«
    Louis sah mit einer Art Bestürzung, daß Steve zu weinen begann. »Ja«, sagte er, und in Gedanken sah er Gage über den Rasen auf die Straße zulaufen. Sie schrien Gage nach, er solle zurückkommen, aber er tat es nicht; vor Mommy und Daddy davonzulaufen, war sein neuestes Spiel gewesen. Und dann jagten sie hinter ihm her, wobei Louis Rachel schnell überholte, aber Gage hatten einen großen Vorsprung. Gage lachte, Gage lief Daddy davon -- das war das Spiel --, und Louis verringerte den Abstand, aber zu langsam; Gage lief den sanft abfallenden Rasen hinunter zum Rand der Route 15, und Louis betete zu Gott,

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