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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seinen Weg herausgrub. Dennoch waren die Steine so gefallen, daß die Form der Spirale deutlich zutagetrat.
    Ob das schon einmal jemand aus der Luft gesehen hat? fragte Louis sich beiläufig und dachte dabei an die Felszeichnungen irgendwelcher Indianerstämme in Südamerika. Ob das schon einmal jemand aus der Luft gesehen hat -- und wenn ja, wofür mag man es gehalten haben?
    Er kniete nieder und legte Gages Leichnam stöhnend vor Erleichterung auf die Erde.
    Endlich kehrte sein Verstand zurück. Mit dem Taschenmesser durchschnitt er das Seil, an dem er Hacke und Schaufel über den Rücken gehängt hatte. Sie fielen klirrend zu Boden. Louis kippte zur Seite, blieb einen Augenblick liegen, alle Viere von sich gestreckt, den leeren Blick auf die Sterne gerichtet.
    Was war das für ein Ding in den Wäldern? Louis, Louis, glaubst du wirklich, ein Theaterstück könnte ein gutes Ende finden, wenn so etwas auf der Besetzungsliste steht?
    Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher, und er wußte es.
    Außerdem, plapperte er in Gedanken, kann es ja trotzdem gutgehen; kein Gewinn ohne Risiko, vielleicht kein Risiko ohne Liebe. Und da ist immer noch meine Tasche, nicht die im Arbeitszimmer, sondern die auf dem obersten Regalfach im Bad, die ich mir am Abend von Normas Herzanfall bringen ließ. Da sind Spritzen drin, und wenn etwas passiert -- etwas Schlimmes... niemand außer mir braucht etwas davon zu wissen.
    Seine Gedanken zerfielen im Gestammel eines Gebets, während seine Hände schon zur Hacke griffen und er, wieder auf den Knien, die Erde aufzugraben begann. So oft er die Hacke niederfallen ließ, brach er über ihr zusammen wie ein römischer Legionär, der sich in sein Schwert stürzt. Doch allmählich gewann das Grab Form und Tiefe. Er klaubte die Steine heraus; die meisten warf er einfach auf den größer werdenden Erdhaufen. Aber einige legte er beiseite.
    Für das Mal.

 56
    Rachel schlug sich ins Gesicht, bis es zu schmerzen begann; trotzdem nickte sie immer wieder ein. Einmal wurde sie ruckartig wach (sie war jetzt in Pittsfield und hatte die Schnellstraße ganz für sich allein), und für den Bruchteil einer Sekunde war ihr, als sähen Dutzende silbriger, erbarmungsloser Augen sie an, funkelnd wie kaltes, hungriges Feuer.
    Dann verwandelten sie sich in die kleinen Katzenaugen an den Pfosten der Leitschiene. Die Chevette war weit hinüber auf die Standspur geraten.
    Sie riß das Lenkrad mit einem Ruck nach links; die Reifen quietschten, und sie glaubte, ein leises Scheppern zu hören -- vielleicht die rechte Ecke der Stoßstange, die gegen einen der Leitschienenpfosten stieß. Ihr Herz machte einen Satz und hämmerte dann so laut unter ihren Rippen, daß sie kleine Flecke vor den Augen sah, die im Rhythmus des Herzschlags wuchsen und schrumpften. Und obwohl sie so knapp davongekommen war, obwohl sie Angst hatte und obwohl die Stimme von Robert Gordon ›Ret Hot‹ aus dem Radio dröhnte, nickte sie schon einen Augenblick später wieder ein.
    Ihr kam ein wahnsinniger, paranoischer Gedanke. »Paranoisch, das ist das richtige Wort«, murmelte sie in die Rockmusik hinein. Sie versuchte zu lachen, aber sie brachte es nicht fertig. Denn der Gedanke blieb und gewann im Dunkel der Nacht eine Art gespenstischer Glaubwürdigkeit. Sie kam sich vor wie eine Figur aus einem Zeichentrickfilm, die in das Gummiband einer riesigen Schleuder hineinläuft. Den armen Burschen fällt es immer schwerer, voranzukommen, bis endlich die potentielle Energie des Gummibandes der aufgewendeten Energie des Läufers gleichkommt -- aus Trägheit wird... was?... Elementarphysik... etwas, das versucht, sie zurückzuhalten... halt dich da heraus... ein in Ruhe befindlicher Körper neigt dazu, in Ruhe zu bleiben... Gages Körper zum Beispiel... aber einmal in Bewegung gesetzt...
    Diesmal war das Quietschen der Reifen lauter, der Anprall heftiger; ein paar Sekunden gab es ein häßliches, pfeilendes Geräusch, als die Chevette an der Leitschiene entlangschrammte, der Lack abgeschrammt wurde bis auf das blanke Metall; einen Augenblick reagierte das Lenkrad nicht, und Rachel stieg auf die Bremse, schluchzend; diesmal hatte sie geschlafen, war nicht nur eingenickt, hatte regelrecht geschlafen und geträumt, und das bei hundert Stundenkilometern, und wenn da keine Leitplanke gewesen wäre -- oder wenn da der Pfeiler einer Überführung gewesen wäre...
    Sie lenkte den Wagen auf die Standspur, schaltete die Getriebeautomatik auf Stand, schlug

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