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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die Hände vors Gesicht und weinte, verwirrt und verängstigt.
    Da ist etwas. Es versucht mich von ihm fernzuhalten.
    Als sie glaubte, ihre Beherrschung wiedergefunden zu haben, fuhr sie weiter -- die Lenkung des kleinen Wagens schien unbeschädigt zu sein, aber wahrscheinlich würde die Firma Avis ihr einige unangenehme Fragen stellen, wenn sie den Wagen morgen am Flughafen in Bangor ablieferte.
    Wenn schon. Eins nach dem anderen. Ich brauche einen Kaffee -- das ist das Wichtigste.
    Als die Ausfahrt nach Pittsfield kam, bog Rachel ab. Ungefähr anderthalb Kilometer weiter stieß sie auf helle Natriumbogenlampen und das stetige Nageln von Dieselmotoren. Sie bog wieder ab, ließ die Chevette auftanken (»Da hat jemand aber eine hübsche Beule hineingefahren«, sagte der Tankwart mit fast bewundernder Stimme), und dann ging sie in die Raststätte, in der es nach Fritierfett roch, nach vulkanisierten Eiern und -- Gott sei Dank -- nach gutem, starkem Kaffee.
    Rachel trank drei Tassen, eine nach der anderen, wie Medizin -- schwarz und mit viel Zucker. Ein paar Lastwagenfahrer saßen am Tresen und in den Nischen und scherzten mit den Kellnerinnen, denen es gelang, im Leuchtstofflicht dieser frühen Morgenstunden auszusehen wie erschöpfte Krankenschwestern, die schlechte Nachrichten bringen.
    Sie zahlte und kehrte dann dorthin zurück, wo sie die Chevette geparkt hatte. Der Wagen sprang nicht an. Wenn sie den Schlüssel drehte, hörte sie das Zündschloß trocken klicken, aber das war alles.
    Rachels Fäuste schlugen langsam und kraftlos auf das Lenkrad ein. Irgendetwas versuchte sie aufzuhalten. Es gab keinen Grund, weshalb der brandneue Wagen mit einem Kilometerstand von nicht einmal achttausend versagen sollte, aber er tat es. Er versagte, und da war sie nun, gestrandet in Pittsfield, immer noch rund achtzig Kilometer von zu Hause entfernt.
    Sie lauschte dem stetigen Dröhnen der Dieselmotoren, und plötzlich überkam sie die niederschmetternde Gewißheit, daß der Laster, der ihren Sohn getötet hatte, sich hier unter ihnen befand -- nicht brummend, sondern kichernd.
    Rachel senkte den Kopf und begann zu weinen.

 57
    Louis stolperte über etwas und schlug der Länge nach hin. Einen Augenblick glaubte er, nicht wieder aufstehen zu können. Aufstehen schien ein Ding der Unmöglichkeit; er würde einfach liegenbleiben, dem Chor der Zirpfrösche im Moor der Kleinen Götter lauschen und den Chor der Qualen und Schmerzen in seinem eigenen Körper spüren. Er würde liegenbleiben, bis er einschlief. Oder starb. Vermutlich letzteres.
    Er wußte jedenfalls, daß er das Segeltuchbündel in die Grube hatte gleiten lassen, die er ausgehoben hatte, und dann den größten Teil der Erde mit den bloßen Händen wieder hineingeschoben hatte. Und ihm war, als könne er sich auch daran erinnern, die Steine aufgehäuft zu haben -- eine breite Basis, oben in einer Spitze auslaufend...
    Von da an bis jetzt war seine Erinnerung sehr dürftig. Offensichtlich mußte er die Stufen wieder hinuntergestiegen sein, sonst wäre er nicht hier -- und wo war das? Er sah sich um und glaubte, die hohen, alten Kiefern wiederzuerkennen, die nicht weit vom Windbruch wuchsen. Sollte er den ganzen Weg durchs Moor der Kleinen Götter zurückgelegt haben, ohne sich dessen bewußt zu sein? Er hielt es für möglich.
    Das ist weit genug. Ich werde einfach hier schlafen.
    Aber genau dieser Gedanke, diese falsche Beruhigung brachte ihn wieder auf die Beine. Denn wenn er hier blieb, konnte das Ding ihn finden -- das Ding mochte in den Wälder sein und gerade in diesem Augenblick nach ihm suchen.
    Er rieb sich mit den Handflächen übers Gesicht und stellte dumpf überrascht Blut daran fest -- irgendwann hatte er Nasenbluten gehabt. »Scheiß drauf«, murmelte er heiser und tastete apathisch um sich, bis er Hacke und Schaufel wiedergefunden hatte.
    Zehn Minuten später ragte das Totholz vor ihm auf. Louis überstieg es, stolperte mehrfach, fiel aber nicht, bis er fast unten angekommen war. Da sah er auf seine Füße, und prompt brach ein Ast (nicht nach unten blicken, hatte Jud gesagt), ein zweiter geriet in Bewegung, sein Fuß glitt ab, und er stürzte so heftig auf die Seite, daß es ihm den Atem verschlug.
    Hol mich der Teufel, wenn das nicht der zweite Friedhof ist, auf dem ich heute nacht hingeschlagen bin... und hol mich der Teufel, wenn zweimal nicht genügt.
    Wieder tastete er nach Hacke und Schaufel und fand sie schließlich. Einen Augenblick ließ er den

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