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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Blick über seine Umgebung schweifen, soweit sie im Sternenlicht erkennbar war. Ganz in der Nähe war das Grab von SMUCKY. Er war gehorsam, dachte Louis müde. Und TRIXIE, AM 15. SEPTEMBER 1968 ÜBERFAHREN. Der Wind war immer noch stark, und er hörte das leise Scheppern eines Metallstücks -- vielleicht war es einmal eine Konservendose gewesen, von einem Kind, das um sein Tier trauerte, mühsam mit der Blechschere des Vaters zurechtgeschnitten, mit einem Hammer flachgeklopft und an ein Stück Holz genagelt -- und das brachte die Angst zurück. Er war jetzt zu erschöpft, um sie anders als in Form eines übelkeiterregenden Pulsschlags wahrzunehmen.
    Er wanderte über den Tierfriedhof, vorüber am Grab von MARTHA UNSER KANINCHEN und am Hügel von GEN. PATTON; er stieg über das verwitterte Brett, das die letzte Ruhestätte von POLYNESIA markierte. Das metallische Scheppern war jetzt lauter, und er blieb stehen und blickte hinunter. Am oberen Rand eines schräg in den Boden getriebenen Brettes war ein blechernes Rechteck angenagelt, und im Licht der Sterne las Louis RINGO UNSER HAMSTER 1964-1965. Es war dieses Stückchen Blech, das ständig gegen einen der Pfosten vom Eingangsbogen des Tierfriedhofs schlug. Louis bückte sich, um es zurechtzubiegen... und erstarrte. Seine Kopfhaut zog sich zusammen.
    Da hinten bewegte sich etwas. Jenseits des Totholzes bewegte sich etwas.
    Was er hörte, war ein verstohlenes Geräusch -- das hinterhältige Knistern von Kiefernnadeln, das trockene Knacken eines Zweigs, das Rascheln von Unterholz --, fast verloren im Wind, der durch die Kiefern heulte.
    »Gage?« rief Louis heiser.
    Das bloße Begreifen seines Tuns -- daß er hier stand und den Namen seines toten Sohnes rief -- zog ihm die Kopfhaut noch stärker zusammen und ließ seine Haare zu Berge stehen. Er begann so hilflos zu zittern, als hätte ihn ein tödliches Fieber befallen.
    »Gage?«
    Das Geräusch war erstorben.
    Noch nicht; es ist zu früh. Ich weiß nicht, woher ich das weiß, aber ich weiß es. Das ist nicht Gage dort drüben. Das ist -- etwas anderes.
    Plötzlich fiel ihm ein, was Ellie gesagt hatte: Er sagte, ›Lazarus, komm heraus‹... wenn er nur ›Komm heraus‹ gesagt hätte, dann wären wahrscheinlich alle Toten auf dem Friedhof herausgekommen.
    Das Geräusch jenseits des Totholzes war wieder da. Jenseits der Schranke. Fast -- aber nicht ganz -- verloren im Heulen des Windes. Als ob sich etwas Blindes mit uralten Instinkten an ihn heranschliche. Sein überreiztes Hirn beschwor grausige Schreckensbilder herauf: einen riesigen Maulwurf, eine gewaltige Fledermaus, die durchs Unterholz flappte.
    Louis verließ den Tierfriedhof, ohne dem Totholz den Rücken zuzukehren -- diesem gespenstigen Glimmen, einer bleichen Narbe im Dunkel. Er ging rückwärts, bis er ein gutes Stück den Pfad hinunter war. Dann beschleunigte er seinen Schritt, und ein paar hundert Meter, bevor der Pfad aus den Wäldern heraus und auf das Feld hinter seinem Haus führte, fand er noch genügend Kraft, um zu laufen.
     
     
    Louis warf Hacke und Schaufel in die Garage und blieb dann einen Augenblick am Ende der Auffahrt stehen; sein Blick wanderte zuerst dahin zurück, wo er hergekommen war, und dann zum Himmel hinauf. Es war viertel nach vier, die Dämmerung konnte nicht allzu fern sein. Das Licht mochte den Atlantik inzwischen zu drei Vierteln überquert haben, aber hier in Ludlow war noch finstere Nacht. Der Wind blies stetig.
    Er ging ins Haus, tastete sich an der Garagenwand entlang und entriegelte die Hintertür. Er durchquerte die Küche im Dunkeln und betrat das kleine Badezimmer zwischen Küche und Eßzimmer. Hier schaltete er das Licht ein, und das erste, was er sah, war Church, der auf dem Spülkasten lag und ihn mit seinen trüben, gelbgrünen Augen anstarrte.
    »Church«, sagte er. »Ich dachte, jemand hätte dich vor die Tür gesetzt.«
    Church starrte ihn nur vom Spülkasten aus an. Ja, jemand hatte Church vor die Tür gesetzt; er selbst hatte es getan. Daran erinnerte er sich ganz deutlich. Und er erinnerte sich auch daran, daß er die zerbrochene Scheibe im Kellerfenster ersetzen ließ und dann geglaubt hatte, damit wäre das Problem aus der Welt. Wem hatte er damit etwas vorgemacht? Wenn Church hereinkommen wollte, dann kam er herein. Weil Church jetzt anders war.
    Es spielte keine Rolle. In seiner dumpfen Erschöpfung nach getaner Arbeit schien nichts eine Rolle zu spielen. Ihm war zumute, als wäre er kein richtiger Mensch

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