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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gefühl hatte, er müßte platzen.
    »Mein Gott«, sagte er zittrig, als er wieder sprechen konnte. »Wo hast du das gelernt?«
    »Bei den Pfadfinderinnen«, sagte sie.
    Sie hatte Filetspitzen Stroganoff gemacht, die während der Badewannen-Episode geschmort hatten, und Louis, der noch um vier Uhr geschworen hätte, die nächste Mahlzeit erst um Allerheiligen zu sich zu nehmen, aß zwei Portionen.
    Dann führte sie ihn wieder nach oben.
    »Und nun«, sagte sie, »wollen wir sehen, was du für mich tun kannst.«
    In Anbetracht aller Umstände, dachte Louis, machte er seine Sache recht gut.
     
     
    Hinterher schlüpfte Rachel in ihren alten blauen Pyjama. Louis zog ein Flanellhemd und eine fast formlose Cordhose an -- das, was Rachel seine Hausklamotten nannte -- und machte sich auf den Weg, um die Kinder abzuholen.
    Missy Dandridge wollte wissen, wie sich der Unfall ereignet hatte, und Louis gab ihr eine kurze Schilderung, längst nicht so ausführlich wie das, was sie am folgenden Tag in den Bangor Daily News lesen würde. Er tat es nicht gern -- er kam sich dabei vor wie die widerlichste Klatschbase --, aber Missy nahm kein Geld fürs Kinderhüten, und er war ihr dankbar für den Abend, den Rachel und er für sich gehabt hatten.
    Gage schlief tief und fest, bevor Louis die Meile zwischen Missys Haus und ihrem eigenen zurückgelegt hatte; sogar Ellie gähnte und hatte glasige Augen. Er legte Gage eine frische Windel um, zog ihm den Schlafanzug über und legte ihn in sein Bettchen. Dann las er Ellie vor. Wie üblich, verlangte sie nach Wo die wilden Kerle wohnen -- schließlich war sie selbst ein wilder Kerl. Louis brachte sie dazu, sich mit der Katze im Hut einverstanden zu erklären. Fünf Minuten, nachdem er sie hinaufgetragen hatte, schlief sie schon, und Rachel deckte sie zu.
    Als er wieder herunterkam, saß Rachel mit einem Glas Milch im Wohnzimmer. Ein Roman von Dorothy Sayers lag aufgeschlagen auf einem ihrer langen Schenkel.
    »Louis, bist du sicher, daß es dir wieder gut geht?«
    »Mir geht es bestens, Liebling«, sagte er. »Und ich danke dir. Für alles.«
    »Man tut, was man kann«, sagte sie mit einem breiten, ein wenig anzüglichen Lächeln. »Gehst du noch auf ein Bier zu Jud?«
    Er schüttelte den Kopf. »Heute nicht. Ich bin total erledigt.«
    »Ich hoffe, daran bin ich nicht ganz unschuldig.«
    »Das möchte ich annehmen.«
    »Dann hol dir ein Glas Milch, Doktor, und laß uns schlafen gehen.«
     
     
    Er dachte, er würde vielleicht nicht schlafen können, wie es ihm so oft während seiner Assistentenzeit ergangen war, wenn besonders haarige Tage immer und immer wieder in seinen Gedanken abrollten. Aber er glitt dem Schlaf sanft entgegen wie auf einem leicht geneigten, reibungslos glatten Brett. Irgendwo hatte er gelesen, daß der Mensch im Durchschnitt genau sieben Minuten braucht, um abzuschalten und sich vom Tag zu lösen. Sieben Minuten für das Bewußtsein und das Unterbewußtsein, sich zu drehen wie die Trickwand einer Geisterbahn in einem Vergnügungspark. Eine irgendwie unheimliche Vorstellung. Fast war es so weit, als er Rachel wie aus weiter Ferne sagen hörte: »... übermorgen.«
    »Hmmm?«
    »Jolander. Der Tierarzt. Übermorgen können wir Church hinbringen.«
    »Oh.« Church. Paß auf deine cojones auf, solange du sie noch hast, Church, alter Junge. Dann glitt er von allem fort in ein tiefes Loch, in festen, traumlosen Schlaf.

16
    Viel später weckte ihn etwas auf, ein Schlag, so laut, daß er im Bett auffuhr und sich fragte, ob Ellie vielleicht auf den Boden gefallen oder Gages Bettchen zusammengebrochen war. Dann kam der Mond hinter einer Wolke hervor und überflutete das Zimmer mit kaltem, weißem Licht, und er sah Victor Pascow auf der Schwelle stehen. Der Schlag kam von der Tür, die Pascow aufgestoßen hatte.
    Er stand da mit seinem hinter der linken Schläfe zerschmetterten Schädel. Das Blut auf seinem Gesicht war in rotbraunen Streifen getrocknet, wie die Kriegsbemalung eines Indianers. Sein Schlüsselbein ragte weiß heraus. Er grinste.
    »Kommen Sie, Doktor. Wir machen einen Spaziergang«, sagte Pascow.
    Louis schaute sich um. Seine Frau schlief fest, ein undefinierbarer Hügel unter der gelben Steppdecke. Sein Blick kehrte zu Pascow zurück, der tot war und irgendwie doch nicht tot. Dennoch verspürte Louis keine Furcht. Er erkannte fast sofort, warum das so war.
    Es ist ein Traum, dachte er, und erst in der Erleichterung begriff er das Ausmaß seines Erschreckens. Die

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