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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seines Selbst, der die Universitätsverwaltung bewogen hatte, ihn den dreiundfünfzig anderen Bewerbern um diese Stellung vorzuziehen. Hier war niemand, der Anweisungen gab, der handelte; das Zimmer war voll von Leuten, die nicht wußten, was zu tun war.
    »Steve, geben Sie dem Mädchen ein Sedativ«, sagte er, und schon beim bloßen Aussprechen der Worte fühlte er sich besser. Es war, als befände er sich in einem Raumschiff, das jetzt wieder unter Antrieb stand und einen winzigen Mond hinter sich zurückließ. Der winzige Mond -- das war jener irrationale Augenblick, in dem Pascow gesprochen hatte. Louis war angestellt worden, um Verantwortung zu übernehmen -- und das würde er tun.
    »Joan, geben Sie dem Polizisten ein Laken.«
    »Doktor, in unserem Inventar...«
    »Geben Sie ihm trotzdem eins. Und dann kümmern Sie sich um die Hilfsschwester.« Er warf einen Blick auf das andere Mädchen, das noch immer das Ende der harten Trage hielt. Es starrte mit einer Art hypnotischer Faszination auf Pascows sterbliche Überreste. »Hilfsschwester!« sagte Louis grob, und ihre Augen rissen sich von dem Leichnam los.
    »W-w-w-...«
    »Wie heißt das andere Mädchen?«
    »W-w-welches?«
    »Das, das gekotzt hat«, sagte er mit bewußter Grobheit.
    »Ju-ju-judy. Judy DeLessio.«
    »Und Sie heißen?«
    »Carla.« Die Stimme des Mädchens klang schon ein wenig sicherer.
    »Carla, Sie kümmern sich um Judy. Und holen das Laken. Sie finden einen Stapel in dem kleinen Schrank hinter Untersuchungsraum Eins. Und nun bewegt euch, alle miteinander. Tun wir wenigstens so, als verstünden wir unser Handwerk.«
    Sie setzten sich in Bewegung. Gleich darauf verstummte das Kreischen im Nebenraum. Das Telefon, das aufgehört hatte zu läuten, fing wieder an. Louis drückte die Wartetaste, ohne den Hörer abzunehmen.
    Der ältere der beiden Polizisten machte einen gefaßteren Eindruck, und Louis wandte sich an ihn. »Wen müssen wir benachrichtigen? Können Sie mir eine Aufstellung geben?«
    Der Polizist nickte und sagte: »Das ist seit sechs Jahren nicht mehr vorgekommen. Ein schlimmer Anfang für ein Semester.«
    »Das kann man wohl sagen«, sagte Louis. Er nahm den Hörer ab und löste die Wartetaste.
    »Hallo? Wer ist...« setzte eine aufgeregte Stimme an, und Louis unterbrach die Verbindung. Dann begann er zu telefonieren.

14
    Erst am Nachmittag gegen vier Uhr flaute der Trubel etwas ab, nachdem Louis und Richard Irving, der Chef der Campus-Polizei, eine Presseerklärung abgegeben hatten. Der junge Mann, Victor Pascow, hatte mit einem Freund und seiner Verlobten gejoggt. Ein Wagen, gefahren von Tremont Withers, dreiundzwanzig, aus Haven in Maine, war mit hoher Geschwindigkeit die Straße vom Lengyll Women's Gymnasium zum Zentrum des Campus heraufgekommen. Withers' Wagen hatte Pascow erfaßt und mit dem Kopf voran gegen einen Baum geschleudert. Seine Begleiter und zwei Passanten hatten ihn in einer Decke in die Krankenstation gebracht, wo er ein paar Minuten später gestorben war. Withers war festgenommen worden und hatte eine Anklage wegen rücksichtslosen Fahrens, Trunkenheit am Steuer und fahrlässiger Tötung zu erwarten.
    Der Redakteur der Campus-Zeitung fragte, ob er schreiben könne, Pascow sei an Kopfverletzungen gestorben. Louis, der an das zerbrochene Fenster dachte, durch das das Gehirn zu sehen gewesen war, sagte, es wäre ihm lieber, wenn die Todesursache vom Coroner von Penobscot County bekanntgegeben würde. Dann fragte der Redakteur, ob die vier jungen Leute, die Pascow in der Decke in die Krankenstation getragen hatten, unwissentlich seinen Tod verschuldet haben könnten.
    »Nein«, erwiderte Louis. Er war froh darüber, die vier jungen Leute, die so schnell gehandelt hatten, entlasten zu können. »Keinesfalls. Meiner Ansicht nach waren die Verletzungen tödlich, die Mr. Pascow erlitt, als er angefahren wurde.«
    Es gab noch weitere Fragen -- einige wenige, aber mit dieser Antwort war die Pressekonferenz im Grunde beendet gewesen. Jetzt saß Louis in seinem Büro (Steve Masterton war eine Stunde zuvor unmittelbar nach der Pressekonferenz gegangen, um sich selbst in den Abendnachrichten nicht zu verpassen, wie Louis argwöhnte) und versuchte, die Scherben des Tages aufzusammeln; vielleicht versuchte er auch nur, das, was geschehen war, mit einer dünnen Schicht Routine zu übertünchen. Er und Joan sahen die Karteikarten der »Problemfälle« durch -- jener Studenten, die sich ungeachtet einer Behinderung durch die

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