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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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soll die Klinik in Bangor anrufen und einen Krankenwagen kommen lassen.«
    »Bucksport ist näher«, sagte Jud.
    »Bangor ist schneller. Gehen Sie. Rufen Sie nicht selbst an, überlassen Sie es Rachel. Ich brauche die Tasche.« Und wenn sie erst weiß, wie die Dinge hier liegen, dachte Louis, bringt sie sie bestimmt nicht selbst.
    Jud ging. Louis hörte die Gazetür zuschlagen. Er war allein mit Norma Crandall und dem Apfelgeruch. Aus dem Wohnzimmer drang das stetige Ticken der Uhr mit dem Sieben-Tage-Werk herüber.
    Norma tat plötzlich einen langen, schnarchenden Atemzug. Ihre Lider flatterten. Und Louis überkam ebenso plötzlich eine eisige, gräßliche Vorahnung.
    Gleich schlägt sie die Augen auf... oh, Gott, gleich schlägt sie die Augen auf und fängt an, vom Tierfriedhof zu reden.
    Aberin ihrem Blick lag nur ein unsicheres Erkennen, und dann schlossen sich ihre Augen wieder. Louis schämte sich seiner albernen Angst, die ihm im Grunde so fremd war. Zugleich spürte er Hoffnung und Erleichterung. Ihre Augen hatten Schmerzen erkennen lassen, aber keine Agonie. Vermutlich war es kein lebensgefährlicher Anfall.
    Louis atmete schwer und war schweißgebadet. Bei Schauspielern, die im Fernsehen als Ärzte auftraten, sieht eine Herzmassage aus wie ein Kinderspiel. In Wirklichkeit verbrauchte eine gute, stetige äußere Herzmassage eine Menge Kalorien; morgen würde das Gewebe zwischen seinem Arm und seinen Schultern schmerzen.
    »Kann ich etwas tun?«
    Er sah sich um. Eine Frau in langer Hose und braunem Pullover stand unschlüssig auf der Schwelle, eine Hand, zur Faust geballt, zwischen den Brüsten. Die Mutter der Gespenster, dachte Louis.
    »Nein«, sagte er, und dann: »Doch. Machen Sie bitte ein Handtuch naß. Wringen Sie es aus. Legen Sie es ihr auf die Stirn.«
    Sie setzte sich in Bewegung. Louis blickte auf Norma, die wieder die Augen aufgeschlagen hatte.
    »Ich bin gefallen, Louis«, flüsterte sie. »Wohl ohnmächtig geworden.«
    »Sie hatten eine Art Herzanfall«, sagte Louis. »Scheint aber nichts Ernstes zu sein. Entspannen Sie sich. Und nicht reden, Norma.«
    Er ruhte sich einen Augenblick aus und fühlte dann wieder ihren Puls. Er war viel zu schnell. Ihr Herz sendete Morsezeichen: es schlug regelmäßig, ging dann in eine kurze Folge von Schlägen über, die fast ein Flimmern waren, aber noch nicht ganz, um danach wieder regelmäßig zu schlagen. Poch-poch-poch, TACK-TACK-TACK, poch-poch-poch-poch. Das war nicht gut, aber eine Spur besser als völlige Arrhythmie.
    Die Frau kam mit dem Tuch und legte es auf Normas Stirn. Dann trat sie unsicher beiseite. Jud kam mit Louis' Tasche zurück.
    »Louis?«
    »Sie wird wieder«, sagte er und sah Jud an, obwohl seine Worte für Norma bestimmt waren. »Kommt der Krankenwagen?«
    »Ihre Frau ruft die Klinik an«, sagte Jud. »Ich habe nicht so lange gewartet.«
    »Keine Klinik«, flüsterte Norma.
    »Doch«, sagte Louis. »Fünf Tage Beobachtung und Medikamente, und dann auf eigenen Beinen nach Hause, Norma. Und wenn ich noch ein Wort dagegen höre, müssen Sie all diese Äpfel hier aufessen. Mit Stiel und Kerngehäuse.«
    Sie lächelte matt und schloß dann wieder die Augen.
    Louis öffnete die Tasche, suchte darin, fand das Isodil und ließ eine der Tabletten -- so winzig, daß sie auf den Mond eines Fingernagels gepaßt hätte -- in seine Hand fallen. Er schraubte das Glas wieder zu und nahm die Tablette zwischen die Finger.
    »Norma, hören Sie mich?«
    »Ja.«
    »Machen Sie bitte den Mund auf. Ich lege eine Tablette unter Ihre Zunge. Eine ganz kleine. Die müssen Sie liegenlassen, bis sie sich aufgelöst hat. Sie ist ein bißchen bitter, aber das darf Sie nicht stören. In Ordnung?«
    Sie öffnete den Mund. Schaler Gebißatem wehte Louis entgegen, und er empfand einen Augenblick lang heftiges Mitleid mit ihr. Da lag sie nun auf dem Küchenfußboden, umgeben von Äpfeln und Halloween-Süßigkeiten. Auch sie war einmal siebzehn gewesen, ihre Brüste hatten die interessierten Blicke aller jungen Männer der Nachbarschaft auf sich gezogen, all ihre Zähne waren ihre eigenen gewesen und das Herz unter ihrer Bluse eine robuste kleine Rangierlokomotive.
    Sie legte ihre Zunge über die Tablette und verzog das Gesicht. Sie schmeckte wirklich ein bißchen bitter. Das tat sie immer. Aber Norma war kein Victor Pascow, unerreichbar und jenseits aller Hilfe. Norma Crandall hatte noch einige Zeit vor sich. Sie hob die Hand, und Jud ergriff sie sanft.
    Louis erhob sich,

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