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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gesehen hatte. Mit seinem einzigen Besuch in einem Bordell vor sechs Jahren erging es ihm ähnlich; beides waren unwichtige Ausrutscher mit einem falschen Nachhall, Geräuschen vergleichbar, die in einer Echokammer erzeugt werden.
    An das, was der sterbende Pascow gesagt oder nicht gesagt hatte, dachte er nicht.
    An Halloween, dem Abend vor Allerheiligen, war es ziemlich kalt. Louis und Ellie begannen ihre Tour bei den Crandalls. Ellie, als Hexe verkleidet, kicherte hinreichend hexenhaft und tat, als ritte sie auf ihrem Besen durch Normas Küche, was von Norma gebührend gewürdigt wurde: »Das süßeste Ding, das mir je begegnet ist -- findest du nicht, Jud?«
    Jud pflichtete ihr bei und zündete sich eine Zigarette an. »Wo ist Gage, Louis? Sollte er nicht auch ein Kostüm bekommen?«
    Sie hatten in der Tat vorgehabt, Gage mitzunehmen -- besonders Rachel hatte sich darauf gefreut, weil sie und Missy Dandridge eine Art Käferkostüm für ihn gebastelt hatten mit krummgebogenen, kreppumwickelten Kleiderbügeln als Fühler --, aber Gage hatte sich einen häßlichen Husten geholt, und nachdem Louis seine Lungen, in denen es ein bißchen rasselte, abgehorcht und einen Blick aufs Thermometer vor dem Fenster geworfen hatte, das um sechs Uhr nur vier Grad anzeigte, hatte er sein Veto eingelegt. Rachel war zwar enttäuscht, sah es jedoch ein.
    Ellie hatte versprochen, Gage etwas von ihrer Ausbeute abzugeben; aber sie übertrieb ihren Kummer derart, daß Louis sich fragte, ob sie nicht sogar ein wenig froh darüber war, den Hemmschuh Gage los zu sein, der ihr einen Teil der Schau stahl.
    »Armer Gage«, hatte sie in einem Ton erklärt, der im allgemeinen Leuten mit tödlichen Krankheiten vorbehalten bleibt. Gage, der nicht wußte, was er versäumte, saß vor dem Fernseher; Church schlief neben ihm auf der Couch.
    »Ellie Hexe«, hatte er ohne sonderliches Interesse gesagt und sich wieder dem Fernseher zugewandt.
    »Armer Gage«, sagte Ellie noch einmal und seufzte tief. Louis dachte an Krokodilstränen und grinste. Ellie ergriff seine Hand und zog ihn mit sich. »Los, Daddy! Komm schon. Komm schon.«
     
     
    »Gage hat einen leichten Krupp«, erklärte Louis.
    »Wirklich schade«, sagte Norma, »aber nächstes Jahr wird er mehr davon haben. Halt deinen Sack auf, Ellie -- hoppla!«
    Sie hatte einen Apfel und einen Riegel Snickers aus der Schüssel auf dem Tisch genommen, aber beides war ihr aus der Hand gefallen. Louis war ein wenig entsetzt, wie klauenartig die Hand aussah. Er bückte sich und hob den Apfel auf, der über den Boden rollte. Jud nahm die Snickers und steckte sie in Ellies Sack.
    »Warte, ich hole dir einen anderen Apfel, Kleines«, sagte Norma. »Der bekommt Druckstellen.«
    »Macht nichts«, sagte Louis und versuchte ihn in Ellies Sack zu stecken, aber Ellie trat zurück und hielt den Sack zu.
    »Ich mag keine angeschlagenen Äpfel«, sagte sie und sah ihren Vater an, als wäre er nicht recht bei Sinnen. »Druckstellen -- igitt!«
    »Ellie, das ist verdammt unhöflich!«
    »Schimpfen Sie nicht mit ihr, nur weil sie die Wahrheit sagt«, meinte Norma. »Nur Kinder sagen die ganze Wahrheit. Das ist das Besondere an Kindern. Druckstellen sind wirklich widerlich.«
    »Danke, Mrs. Crandall«, sagte Ellie und warf ihrem Vater einen triumphierenden Blick zu.
    »Gern geschehen, Kleines.«
    Jud begleitete sie auf die Veranda hinaus. Zwei kleine Gespenster kamen den Weg herauf, und Ellie erkannte in ihnen Schulfreunde. Sie begleitete sie in die Küche; einen Augenblick lang waren Jud und Louis auf der Veranda allein.
    »Ihre Arthritis ist schlimmer geworden«, sagte Louis.
    Jud nickte und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Ja. Bisher hat es sie jeden Herbst und Winter heftiger gepackt, aber so schlimm war es bisher noch nie.«
    »Was sagt ihr Arzt?«
    »Nichts. Er kann nichts sagen, weil Norma nicht wieder zu ihm gegangen ist.«
    »Was? Und warum nicht?«
    Jud sah Louis an, und im Scheinwerferlicht des Kombiwagens, der auf die Gespenster wartete, wirkte er seltsam hilflos. »Ich hatte vor, damit auf einen günstigeren Augenblick zu warten, aber für das Ausnützen einer Freundschaft gibt es wohl keine günstigen Augenblicke. Würden Sie sie einmal untersuchen, Louis?«
    Er hörte, wie die beiden Gespenster in der Küche huuh machten und Ellie hexenmäßig kicherte -- sie hatte es die ganze Woche geübt. Es klang richtig nach Halloween.
    »Was ist denn sonst noch nicht in Ordnung bei Norma?« fragte Louis.

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