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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Buddinger-Zwillinge.«
    »Also gut, als du mit ihnen drinnen warst, erzählte mir Mr. Crandall, daß seine Frau Schmerzen in der Brust hat. Vielleicht bist du sogar die Ursache dafür, daß sie noch am Leben ist, oder zumindest dafür, daß es ihr nicht viel schlechter geht.«
    Jetzt war es Ellie, die verblüfft war.
    Louis nickte. »Sie brauchte einen Arzt, Ellie. Und ich bin Arzt. Aber ich war nur da, weil ich dich auf deiner Halloween-Runde begleitet habe.«
    Ellie dachte lange darüber nach, dann nickte sie. »Aber irgendwann wird sie sowieso sterben«, sagte sie ganz sachlich. »Leute, die einen Herzanfall haben, sterben gewöhnlich. Und wenn sie ihn überleben, dann haben sie schon bald noch einen und noch einen und noch einen, und schließlich -- rums!«
    »Und woher hast du diese Weisheit, wenn ich fragen darf?«
    Ellie zuckte nur die Achseln -- auf sehr lustige Art, wie er amüsiert feststellte.
    Sie gestattete ihm, ihren Sack mit Süßigkeiten zu tragen -- eine Geste fast grenzenlosen Vertrauens --, und Louis dachte über ihre Einstellung nach. Der Gedanke an Churchs Tod hatte sie an den Rand der Hysterie gebracht. Aber der Gedanke an den Tod der großmütterlichen Norma Crandall -- den schien Ellie gelassen, wie selbstverständlich hinzunehmen. Was hatte sie gesagt? Noch einen und noch einen, und schließlich -- rums!
    DieKüche war leer, aber Louis hörte Rachel oben hantieren. Er legte Ellies Sack auf den Küchentisch und sagte: »Das muß nicht unbedingt so kommen, Ellie. Norma hatte nur einen ganz leichten Herzanfall, und ich konnte sie gleich richtig behandeln. Ich glaube nicht, daß ihr Herz großen Schaden gelitten hat. Sie...«
    »Ja, das weiß ich«, pflichtete ihm Ellie fast fröhlich bei. »Aber sie ist alt und wird ohnehin bald sterben. Und Mr. Crandall ebenso. Kann ich einen Apfel haben, bevor ich schlafen gehe, Daddy?«
    »Nein«, sagte Louis. »Geh hinauf und putz dir die Zähne.«
    Ob es Leute gibt, die wirklich glauben, Kinder zu verstehen? Er dachte darüber nach.
     
     
    Als das Haus zur Ruhe gekommen war und sie in ihrem Doppelbett lagen, fragte Rachel leise: »War es sehr schlimm für Ellie, Louis? War sie verängstigt?«
    Nein, dachte er. Sie weiß, daß für alte Leute früher oder später die letzte Stunde geschlagen hat, genauso, wie sie weiß, daß man eine Heuschrecke loslassen muß, wenn sie spuckt -- daß die beste Freundin sterben muß, wenn sie beim Seilspringen beim dreizehnten Mal stolpert -- daß man die Gräber auf dem Tierfriedhof in konzentrischen Kreisen anlegt...
    »Keine Spur«, sagte er. »Sie hat sich gut gehalten. Laß uns jetzt schlafen, Rachel, okay?«
    In dieser Nacht, als sie in ihrem Haus schliefen und Jud in seinem wach lag, wurde es sehr kalt. Gegen Morgen erhob sich der Wind und riß den größten Teil der restlichen Blätter, die jetzt ein fades Braun angenommen hatten, von den Bäumen.
    Der Wind weckte Louis auf, und er stützte sich verschlafen und verwirrt auf den Ellenbogen. Da waren Schritte auf der Treppe -- langsame, schleppende Schritte. Pascow war wieder da. Nur waren inzwischen zwei Monate vergangen, dachte er. Wenn sich die Tür öffnete, würde er ein faulendes Scheusal sehen, die Turnhose von Schimmel überwuchert, das Fleisch in großen Brocken abgefallen, das Gehirn zu Brei verrottet. Nur die Augen würden noch lebendig sein -- teuflisch hell und lebendig. Diesmal würde Pascow nicht sprechen; seine Stimmbänder würden keine Laute mehr erzeugen können. Aber seine Augen -- sie würden ihn auffordern, mitzukommen.
    »Nein«, hauchte er, und die Schritte erstarben.
    Er stand auf, ging zur Tür und öffnete sie; seine Lippen waren zu einer Grimasse aus Angst und Entschlossenheit zurückgezogen, seine Muskeln verkrampft. Pascow würde dastehen, und mit seinen erhobenen Armen würde er aussehen wie ein seit langem toter Dirigent, der im Begriff steht, den Einsatz für den tosenden ersten Satz der Walpurgisnacht zu geben.
    Nichts dergleichen, wie Jud gesagt hätte. Der Treppenabsatz war leer und still. Nichts war zu hören als der Wind. Louis kehrte ins Bett zurück und schlief.

 21
    Am nächsten Tag rief Louis in der Intensivstation des Eastern Maine Medical Center an. Normas Zustand wurde noch als kritisch bezeichnet; aber das war in den ersten vierundzwanzig Stunden nach einem Herzanfall üblich. Von ihrem behandelnden Arzt, Dr. Weybridge, hörte Louis jedoch Erfreulicheres: »Ich würde es nicht einmal als kleinen Myokardinfarkt

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