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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Hat sie vor irgendetwas Angst, Jud?«
    »Sie hat Schmerzen in der Brust«, sagte Jud leise. »Sie will nicht mehr zu Dr. Weybridge. Ich mache mir Sorgen.«
    »Macht Norma sich auch Sorgen?«
    Jud zögerte, und dann sagte er: »Ich glaube, sie hat Angst und geht deshalb nicht zum Arzt. Eine ihrer ältesten Freundinnen, Betty Coslaw, ist letzten Monat im Medical Center gestorben. An Krebs. Sie und Norma waren gleichaltrig. Und jetzt hat sie Angst.«
    »Ich sehe sie mir gern einmal an«, sagte Louis. »Überhaupt kein Problem.«
    »Danke, Louis«, sagte Jud erleichtert. »Wenn wir sie eines Abends erwischen und in die Enge treiben, dann...«
    Jud brach unvermittelt ab und neigte den Kopf zur Seite. Ihre Blicke begegneten sich.
    Später konnte Louis sich nicht mehr genau erinnern, wie ein Gefühl ins andere übergeglitten war. Wenn er versuchte, es zu analysieren, wurde ihm nur schwindlig. Das einzige, dessen er sich deutlich entsann, war der schnelle Umschwung von Neugierde zu dem Gefühl, daß irgendwo und irgendwie eine Wendung zum Schlimmen eingetreten war. Ihre Blicke hatten sich getroffen, und beide waren ungedeckt. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder handlungsfähig fühlte.
    »Buuwuuuh-buuuuuuh«, machten die Halloween-Gespenster in der Küche. »Buuuu-buuuh.« Und plötzlich wurde das Buh von einem stärkeren, wirklich beängstigenden Laut abgelöst: »oooooOOOOO...«
    Und dann begann eines der Gespenster zu schreien.
    »Daddy!« Ellies Stimme klang gepreßt und verängstigt. »Daddy! Missus Crandall ist hingefallen!«
    »Oh, Gott.« Juds Ausruf klang fast wie ein Stöhnen.
    Ellie kam mit flatterndem schwarzem Kostüm auf die Veranda heraus gerannt, mit einer Hand den Besen umklammernd. Ihr grünes, jetzt vor Bestürzung verzerrtes Gesicht glich dem eines trunksüchtigen Pygmäen im letzten Stadium der Alkoholvergiftung. Die beiden kleinen Gespenster folgten weinend.
    Jud stürzte durch die Tür, erstaunlich behende für einen Mann von über achtzig Jahren. Nein, mehr als behende -- fast schon geschmeidig. Er rief den Namen seiner Frau.
    Louis beugte sich nieder und legte die Hände auf Ellies Schultern. »Du bleibst hier auf der Veranda, Ellie. Verstanden?«
    »Daddy, ich hab solche Angst«, flüsterte sie.
    Die beiden Gespenster drängten sich an ihnen vorüber und rannten, nach ihrer Mutter schreiend, den Weg hinab; die Süßigkeiten klapperten in ihren Säcken.
    Louis lief durch die Diele in die Küche, ohne Ellie, die ihn zurückrief, zu beachten.
    Norma lag auf dem welligen Linoleum neben dem Tisch, umgeben von Äpfeln und kleinen Snickers-Riegeln. Wie es schien, hatte sie im Fallen nach der Schüssel gegriffen und sie heruntergeworfen; sie lag jetzt wie eine kleine Fliegende Untertasse aus feuerfestem Glas neben ihr. Jud massierte eines ihrer Handgelenke und blickte dann mit gequältem Gesicht zu Louis auf.
    »Helfen Sie mir, Louis«, sagte er. »Helfen Sie Norma. Ich glaube, sie stirbt.«
    »Bitte, machen Sie Platz«, sagte Louis. Er kniete nieder und landete auf einem Apfel Er spürte, wie der Saft durch seine alte Cordhose drang, und plötzlich erfüllte der unverwechselbare Apfelgeruch die Küche.
    Da haben wir's -- wieder das gleiche wie mit Pascow, dachte Louis, doch dann schob er den Gedanken so schnell beiseite, als liefe er auf Rädern.
    Er suchte nach ihrem Puls und fand etwas, das schwach, fadenförmig und schnell war -- kein eigentlicher Puls, sondern bloße Spasmen. Absolute Arrhythmie, nicht weit vom völligen Herzstillstand entfernt. Sie und Elvis Presley, Norma, dachte er.
    Er öffnete ihr Kleid; ein cremefarbener Seidenunterrock kam zum Vorschein. Dann fand er zu seinem eigenen Rhythmus, drehte ihren Kopf zur Seite und begann mit der Herzmassage.
    »Hören Sie, Jud«, sagte er. Den Ballen der linken Hand auf dem unteren Drittel des Brustbeins -- vier Zentimeter über dem Schwertfortsatz. Mit der rechten Hand das linke Handgelenk fassen, stützen, Druck ausüben. Fest zupacken, aber Vorsicht mit den alten R ippen -- noch besteht kein Grund zur Panik. Und um Himmels willen aufpassen, daß die alten Lungen nicht kollabieren.
    »Hier bin ich«, sagte Jud.
    »Nehmen Sie Ellie mit«, sagte er. »Gehen Sie über die Straße. Aber vorsichtig -- laufen Sie nicht in ein Auto. Sagen Sie Rachel, was passiert ist. Sagen Sie ihr, ich brauche meine Tasche. Nicht die aus dem Arbeitszimmer, sondern die auf dem obersten Regalfach im Badezimmer. Sie weiß, welche ich meine. Sagen Sie ihr, sie

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