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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Tod, die in wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen und dann in den Massenblättern ausgeschlachtet wurden, wahrscheinlich die letzte Rückzugsposition des Geistes angesichts des anbrandenden Todes darstellten -- einen Versuch des unendlich erfinderischen Menschengeistes, mit Hilfe einer Halluzination von Unsterblichkeit den Wahnsinn bis zum letzten Augenblick abzuwehren. Er war auch der gleichen Meinung gewesen wie ein Bekannter im Studentenwohnheim, der im Verlauf einer nächtlichen Diskussion in Louis' zweitem Studienjahr in Chicago gesagt hatte, die Wunder, von denen es in der Bibel geradezu wimmele, hätten im Zeitalter des Verstandes fast gänzlich aufgehört (»vollständig aufgehört«, hatte er zuerst gesagt, war dann aber gezwungen gewesen, zumindest einen Schritt zurückzustecken, als andere Beispiele dafür anführten, daß noch immer eine Menge seltsamer Dinge vor sich gingen, Residuen des Unerklärbaren in einer Welt, die im großen und ganzen zu einem sauberen, gutbeleuchteten Ort geworden war; da war zum Beispiel das Turiner Leichentuch, das bisher jeder Bemühung, ihm seinen Nimbus zu nehmen, widerstanden hatte). »Christus erweckte also Lazarus vom Tode«, hatte sein Bekannter -- der später ein angesehener Geburtshelfer in Dearborne, Michigan, geworden war -- gesagt. »Mir soll's recht sein. Wenn ich es schlucken muß, dann tue ich das eben. Schließlich mußte ich mir sagen lassen, daß in manchen Fällen von Zwillingsschwangerschaft ein Fetus wie eine Art ungeborener Kannibale den anderen in utero verschluckt, und daß zum Beweis dafür zwanzig oder dreißig Jahre später in seinen Hoden oder in seinen Lungen Zähne wachsen; ich finde, wenn ich das glauben kann, dann kann ich so ziemlich alles glauben. Aber ich möchte den Totenschein sehen -- versteht ihr, was ich meine? Ich bezweifle nicht, daß er aus seinem Grab auferstanden ist. Aber ich möchte das Original des Totenscheins sehen. Ich bin wie Thomas, der sagte, er könne erst glauben, daß Jesus auferstanden sei, wenn er durch die Nagellöcher hindurchgeschaut und die Hand in die Wunde an seiner Seite gelegt hat. Was mich betrifft, so halte ich ihn für den eigentlichen Arzt in dem ganzen Haufen, nicht Lukas.«
    Nein, an ein Leben nach dem Tode hatte Louis eigentlich nie geglaubt. Zumindest bis zu der Sache mit Church nicht.
    »Ich meine, daß es irgendwie weitergeht«, erklärte er seiner Tochter langsam. »Aber wie dieses Weitergehen aussieht -- das kann ich mir nicht recht vorstellen. Vielleicht ist es von Mensch zu Mensch verschieden. Vielleicht bekommt man das, woran man sein ganzes Leben geglaubt hat. Aber ich glaube, daß wir fortbestehen, und ich meine auch, daß Mrs. Crandall an einem Ort ist, an dem sie glücklich sein kann.«
    »Das ist dein Glaube«, sagte Ellie. Es war keine Frage. Sie schien beeindruckt.
    Louis lächelte ein wenig geschmeichelt und ein wenig verlegen. »Ich denke schon, und außerdem glaube ich, daß für dich jetzt Schlafenszeit ist. Wie schon vor zehn Minuten.«
    Er küßte sie zweimal, einmal auf die Lippen und einmal auf die Nase.
    »Glaubst du, daß auch Tiere fortbestehen?«
    »Ja«, sagte er, ohne nachzudenken, und fast hätte er hinzugesetzt, vor allem Kater. Die Worte hatten ihm schon auf der Zunge gelegen, und seine Haut fühlte sich kalt und grau an.
    »Okay«, sagte sie und glitt von seinem Schoß. »Und jetzt muß ich Mommy gute Nacht sagen.«
    »Dann lauf.«
    Er sah ihr nach. An der Tür zum Eßzimmer drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Das war wirklich dumm von mir, das mit Church damals. Daß ich so geweint habe.«
    »Nein, Kleines«, sagte er. »Ich glaube nicht, daß das dumm war.«
    »Wenn er jetzt stürbe, könnte ich es ertragen«, sagte sie, und dann schien sie, leicht verblüfft, über das nachzudenken, was sie gerade ausgesprochen hatte. Dann sagte sie, wie um sich selbst beizupflichten: »Doch, das könnte ich.« Sie machte sich auf die Suche nach ihrer Mutter.
     
     
    Später, im Bett, sagte Rachel: »Ich habe gehört, worüber du mit ihr gesprochen hast.«
    »Und du bist nicht einverstanden?« fragte Louis. Vielleicht war es das beste, die Sache auszufechten, wenn es das war, was Rachel wollte.
    »Nein«, sagte Rachel mit einem für sie ungewöhnlichen Zögern. »Nein, Louis, das ist es nicht. Ich -- ich habe einfach Angst. Und du kennst mich ja. Wenn ich Angst habe, gehe ich in die Defensive.«
    Louis konnte sich nicht erinnern, daß Rachel jemals ihre Worte so

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