Friedhof der Kuscheltiere
auf eine Art, die Louis nur bewundern konnte; er bezweifelte, ob er sich auch nur halb so gut gehalten hätte, wenn Rachel nach ihrer Grapefruit und ihrem Frühstücksei tot umgefallen wäre.
Jud rief das Begräbnisinstitut von Brookings-Smith in Bangor an und ordnete alles an, was sich telefonisch anordnen ließ; er traf eine Verabredung für den folgenden Tag, um das übrige zu erledigen. Ja, er wünschte, daß sie einbalsamiert würde; er wollte, daß sie ein Kleid trug, das er mitbringen würde. Ja, er würde Unterwäsche heraussuchen; nein, er wollte nicht, daß sie die hinten geschnürten Spezialschuhe des Bestattungsinstituts trug. Ob jemand da wäre, der ihr die Haare wusch? Sie hatte sie am Montag gewaschen, sie waren also schmutzig, als sie starb. Er hörte zu, und Louis, dessen Onkel ja im »stillen Geschäft« gewesen war, wie man es in der Branche nannte, wußte, daß der Bestattungsunternehmer Jud erklärte, daß Waschen und Frisieren in den Dienstleistungen inbegriffen waren. Jud nickte und dankte dem Mann, mit dem er sprach, dann hörte er wieder zu. Ja, sagte er, er wünschte, daß sie geschminkt würde, aber ganz unauffällig. »Sie ist tot, und die Leute wissen es«, sagte er und zündete sich eine Chesterfield an. »Es besteht also keine Veranlassung, sie anzumalen wie ein Straßenmädchen.« Bei der Beisetzung sollte der Sarg geschlossen sein, erklärte er dem Mann mit gelassener Autorität, während der Besuchszeit am Tag zuvor jedoch offen. Sie sollte auf dem Mount Hope-Friedhof begraben werden, wo sie 1951 eine Grabstelle gekauft hatten. Er hatte die Papiere vor sich und gab dem Mann die Grabnummer an, damit dort mit den Vorbereitungen begonnen werden könne: H 101. Er selbst hatte H 102, erklärte er Louis später.
Er legte den Hörer auf, sah Louis an und sagte: »Ich finde, der Friedhof drüben in Bangor ist der schönste der Welt. Nehmen Sie sich noch ein Bier, Louis, wenn Sie möchten. Das alles dauert noch eine Weile.«
Louis wollte gerade ablehnen -- er fühlte sich ein wenig beschwipst --, als sich seinem inneren Auge unwillkürlich ein groteskes Bild aufdrängte: Jud, der Norma auf einer primitiven Trage durch die Wälder zog. Zum Begräbnisplatz der Micmac, jenseits des Tierfriedhofs.
Es wirkte auf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Wortlos stand er auf und holte sich ein weiteres Bier aus dem Kühlschrank. Jud nickte ihm zu und wählte eine neue Nummer. Als Louis am Nachmittag gegen drei nach Hause ging, um ein Sandwich und einen Teller Suppe zu essen, war Jud beim Organisieren der Abschiedsriten für seine Frau schon ein gutes Stück vorangekommen; er tat eines nach dem anderen wie ein Mann, der eine Dinnerparty plant, von der einiges abhängt. Er rief in der Methodistenkirche von North Ludlow an, wo der Begräbnisgottesdienst stattfinden sollte, und bei der Friedhofsverwaltung von Mount Hope; es waren Anrufe, die der Mann von Brookings-Smith erledigen würde, aber der Höflichkeit halber rief Jud zuerst an. Das waren Dinge, an die die wenigsten Hinterbliebenen dachten -- und wenn sie es taten, konnten sie sich selten dazu aufraffen. Deswegen bewunderte Louis Jud um so mehr. Später rief er die wenigen noch lebenden Verwandten Normas an und seine eigenen; die Nummern suchte er aus einem alten, zerfledderten, in Leder gebundenen Adreßbuch heraus. Und zwischen den Anrufen trank er Bier und erinnerte sich an die Vergangenheit.
Louis empfand große Bewunderung für ihn -- und Liebe?
Ja, bestätigte sein Herz. Und Liebe.
Als Ellie an diesem Abend im Schlafanzug herunterkam, um sich ihren Gutenachtkuß zu holen, fragte sie Louis, ob Mrs. Crandall jetzt wohl in den Himmel käme. Sie flüsterte Louis die Frage zu, als wüßte sie, daß es besser war, wenn sie nicht gehört wurde. Rachel war in der Küche damit beschäftigt, eine Hühnerpastete zuzubereiten, die sie am nächsten Tag zu Jud hinüberbringen wollte.
Im Haus der Crandalls jenseits der Straße brannten alle Lichter. Autos parkten auf Juds Auffahrt und auf dem Bankett an seiner Straßenseite je dreißig Meter rechts und links davon. Die offizielle Kondolenz würde morgen im Bestattungsinstitut stattfinden; heute abend waren die Leute gekommen, um Jud zu trösten, so gut sie konnten, sich mit ihm zu erinnern und Normas Hinscheiden zu feiern -- das hinter sich zu bringen, was Jud am Nachmittag einmal das »Vorspiel« genannt hatte. Zwischen den beiden Häusern wehte ein eisiger Februarwind. Stellenweise bedeckte
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