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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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Akzent deutlich hervortreten, entdeckt sein ländliches Trotten wieder, jene bedachtsame Langsamkeit von Bewegung und Geste, die das Merkmal der Menschen war, unter denen er groß geworden ist.
    An Heiligabend gegen sie in Bellême zur Messe. Sie ziehen ihre besten Sachen an, machen einander Komplimente, obwohl Jean-Baptiste nicht seinen pistaziengrünen Anzug trägt, da er in Paris im letzten Moment nicht den Mut aufgebracht hat, seiner Familie in Monsieur Charvets Zukunftsvision gegenüberzutreten. Er hatte kurz überlegt, zur Place des Victoires zurückzugehen und nachzusehen, ob sein alter Anzug noch da ist (seine Mutter hat schon danach gefragt), sich jedoch entmutigen lassen, weil er die Verachtung Charvets vorweggenommen hat, das unausgesprochene Urteil, dass der junge Ingenieur zu jenen furchtsamen Kreaturen gehört, die am einen Tag einen Satz vorwärts machen, nur um am nächsten schleunigst einen Schritt zurück zu tun. Statt dessen trägt er einen Anzug, den er von Monsieur Monnard geborgt hat, etwas Taubengraues und Achtbares, die Art von Kleidung, wie man sie etwa beim jährlichen Festessen der Gilde der Messerschmiede trägt. Er passt ihm gut; vielleicht besser, als ihm lieb ist.
    In der Kirche sitzen sie in ihrer gewohnten Bank, gegenüber der Kapelle Sainte-Anne. Alle sind da, ausgenommen die Sterbenden und diejenigen, die sich bereits bis zur Besinnungslosigkeit betrunken haben. Der Priester, Père Bricard, ist im Städtchen beliebt, nicht nur wegen der Kürze seiner Messen, sondern auch wegen seiner bodenlosen Gleichgültigkeit in der Frage, wie sich seine Schäflein selbst der Verdammnis überantworten. Als die Messe vorbei ist, Nachbarn in der Kälte vor der Kirchentür verweilt haben und die Kinder kein Eis mehr finden, das sie mit ihren Absätzen zerknacken können, gehen die Barattes über den Bach und die Felder nach Hause. Auf dem Hof sehen die Brüder nach den Tieren, schauen mit hochgehaltenem Licht in Kuh- und Pferdestall, nehmen die Bewegung der Kühe, die leisen Geräusche der Pferde wahr, kommen dann ins Haus, setzen sich hin, trinken und beteiligen sich am Klatsch. (Wer war der Herr, der mit der Familie Valdier gekommen ist? Hat er Camille Valdier nicht eine ganz besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht? Und was für einen merkwürdigen kleinen Hut Lucile Robin getragen hat! So hat das doch ganz bestimmt nicht aussehen sollen?)
    Schließlich ist das Feuer heruntergebrannt, der Tisch abgeräumt, und man zieht sich zum Schlafen zurück. Die Brüder liegen in ihrem Zimmer und sprechen in die Dunkelheit über ihnen, tauschen Geschichten über ihren Vater aus. Das ist ein Ritual zwischen ihnen, etwas, was sie immer tun müssen, Leben und Charakter des Toten in einem Dutzend verbrauchter, einem gemeinsamen Hort entnommener Anekdoten heraufzubeschwören: Wie er damals dem alten Tissot mitten auf dem Marktplatz die Meinung sagte, und der Abend, als er den schon halb ertrunkenen Hausierer aus dem Fluß zog und ihn über der Schulter nach Hause trug, und wie er an seiner Werkbank mit seinen Nadeln und Ösen und seinem gewachsten Faden aussah wie ein Stier, der einen Kranz aus Gänseblümchen bastelt …
    Solche Anekdoten trösten die Brüder. Solche Geschichten ermöglichen es, andere Geschichten nicht zu erzählen, solche etwa, in denen ihr Vater sich Freiheiten herausnahm mit seinen Fäusten oder seinem Gürtel, mit seinem Spazierstock, seinen Stiefeln, mit Lederstreifen oder einem Paar frisch genähter Handschuhe, mit denen er die Brüder oder Henriette oder seine Frau prügelte, bis er erschöpft und zitternd zurücksank. Sie sprechen auch nicht von seinem letzten Lebensjahr, obwohl es das ist, woran Jean-Baptiste denken muss, als sie verstummt sind und Jean-Jacques zu schnarchen beginnt. Wie ihr Vater sich in seinem eigenen Kopf nicht mehr zurechtfand, die Namen seiner Werkzeuge vergaß, dann vergaß, wie man sie benutzte. Wie er dazu überging, seine Frau anzureden, als spräche er mit seiner Mutter, und Henriette beim Namen einer schon lang gestorbenen Schwester rief. Als es dem Ende entgegenging, holte man Jean-Baptiste von der Ecole des Ponts nach Hause, und er saß stundenlang auf dem Hocker am Krankenbett und sprach von Maître Perronet, von Straßen und grauen Brückenbögen, während sein Vater mit reglosem Haupt auf dem Kopfkissen lag, die Augen offen, mit leicht aufgesperrtem Mund. Der weiße Flieder blühte gerade. Bienen und Schmetterlinge schwebten durch das schmale Fenster

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