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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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beutelüstern hinter uns her, wenn es nicht vorzog, im Verborgenen zu bleiben.
    »Alles halb so wild!« meinte Crumley.
    »Wir werden nicht verfolgt«, sagte Henry. »Mal hergehört«, sagte der Blinde. »Wo gehen wir eigentlich hin?«
    »Zum Haus meiner Großeltern.«
    »Klingt ja richtig nett«, sagte Henry.
    Wir hasteten weiter und flüsterten: »Großer Gott, ob überhaupt jemand etwas von der Existenz des Geheimganges weiß? Wenn ja, dann haben sie es nie verraten.«
    »Überlegt mal. Wenn es keiner wüßte, und das Monster käme jede Nacht oder jeden Tag und lauschte hinter der Wand; nach einiger Zeit wüßte es alles. Alle geschäftlichen Vorgänge, sämtliche Pläne, den ganzen Börsenkram, die Frauengeschichten. Man braucht die Information nur lange genug aufheben und dann abkassieren; ihnen mit dem Kerl drohen, das Geld einsacken und ab.«
    »Mit welchem Kerl?«
    »Dieser Guy Fawkes-Puppe, dem Feuerwerks-Dummy, dem Kerl, den sie in England jedes Jahr am Guy Fawkes-Tag ins Feuer werfen, am fünften November. So ähnlich wie unser Halloween, aber eine Mischung aus Religiösem und Politik. Fawkes hätte damals beinahe das Parlament in die Luft gejagt. Er wurde gefaßt und aufgeknüpft. Wir haben hier etwas ganz Ähnliches. Das Monster will Maximus hochgehen lassen. Nicht im handgreiflichen Sinn, sondern mittels Verdächtigungen. Alle in Angst und Schrecken versetzen; mit dem Butzemann drohen. Vielleicht erschreckt er sie schon seit Jahren damit. Und niemand kam dahinter. Es muß einer aus der Branche sein, und er benutzt geheime Informationen.«
    »Au weia!« sagte Crumley. »Das paßt alles zu gut. Gefällt mir nicht. Glaubst du wirklich, niemand weiß, daß das Monster hinter der Wand, hinter dem Spiegel steckt?«
    »Genau.«
    »Wie erklärst du dir dann, daß das Studio, besser gesagt, ein Teil davon, dein Boss Manny, einen Tobsuchtsanfall kriegt, wenn er Roys Lehmmodell des Monsters vorgesetzt bekommt?«
    »Also …«
    »Weiß Manny, daß das Monster existiert – und hat er Angst vor ihm? Kam das Monster nachts ins Studio, sah Roys Arbeit und zerstörte sie wutentbrannt? Und jetzt befürchtet Manny, Roy könne ihn erpressen, weil außer ihm Roy allein über das Monster Bescheid weiß? Was, wie, wer? Antworte, schnell!«
    »Um Himmels willen, Crumley, sei still!«
    »Still? Was sind denn das für Ausdrücke?«
    »Ich denke nach.«
    »Ich höre förmlich, wie die Zahnräder knirschen. Also, was ist? Weiß wirklich niemand, wer da hinter dem Spiegel steht und lauscht? Haben sie einfach Angst vor dem Unbekannten? Oder wissen sie Bescheid und haben erst recht Angst, weil das Monster über all die Jahre soviel Schmutz angesammelt hat, daß es überall frei herumspazieren kann, sein Geld einsackt und wieder hinter der Mauer verschwindet? Sie getrauen sich nicht, dem Monster entgegenzutreten. Wahrscheinlich hat es Briefe bei einem Anwalt hinterlegt, die abgeschickt werden, falls ihm etwas zustößt. Erfreut es sich an Mannys Panik, wenn der zehnmal am Tag die Unterwäsche wechselt? Nun, welche ist die richtige Lösung? Oder hast du noch eine dritte Version auf Lager?«
    »Mach mich nicht nervös, sonst kriege ich wirklich Schiß.«
    »Ach was, Kleiner, das will ich ganz bestimmt nicht«, sagte Crumley, den Mund leicht säuerlich verzogen. »Tut mir leid, wenn ich dir einen Riesenschreck eingejagt habe, aber allmählich komme ich mit deinen halbherzigen Schlußfolgerungen nicht mehr mit. Ich bin gerade eben durch einen Tunnel gerannt mit einem kriminellen Bienenschwarm auf den Fersen, dessen Stock du umgeworfen hast. Haben wir ein Mafianest angestochen, oder handelt es sich nur um einen einzelnen, wahnsinnigen Kletterer? Alles vage Vermutungen! Wo ist Roy, wo ist Clarence, wo ist das Monster? Zeige mir eine, nur eine einzige Leiche! Also, was ist?«
    »Warte mal.« Ich drehte mich um und ging davon.
    »Wo willst du hin?« grummelte Crumley.
    Dann kam er hinter mir her, den kleinen Hügel hinan.
    »Wo zum Teufel sind wir?«
    Er schaute sich angestrengt in der dunklen Nacht um.
    »Golgatha.«
    »Und was gibt’s da?«
    »Drei Kreuze. Du hattest dich doch über mangelnde Leichname beklagt.«
    »Und?«
    »Ich habe so eine fürchterliche Ahnung.«
    Ich streckte meine Hand aus und berührte den Fuß des Kreuzes. Er war klebrig und roch nach so etwas wie dem puren Leben.
    Crumley tat es mir nach. Er schnüffelte an den Fingerspitzen und nickte. Er wußte, was das war.
    Wir schauten am Kreuz hoch gen Himmel.
    Nach einer

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