Friedhof New York
Welt meine endgültige Vernichtung erlebte.
Wir gingen davon.
Wir näherten uns der Tür.
Es war alles so schrecklich normal. Nur eben, daß ich nicht aus eigener Kraft ging, sondern von den beiden Todesboten gezogen wurde. Meine Füße schleiften über den weichen Teppich wie durch Gras. Es gab keinen Widerstand mehr, der mich aufgehalten hätte. Ich glitt weiter und hatte dabei den Eindruck, durch einen Nebel zu rollen.
Weg, nur weg…
Dann gegen die Wand, in die Wand hinein. Plötzlich war die Wirklichkeit verschwunden. Eine andere Welt tat sich vor mir auf. Ich hörte die Atemgeräusche der schlafenden Menschen wie ein gewaltiges Brausen, das immer näher kam.
Und da wußte ich, in welch eine Welt ich hineingezerrt worden war und wo ich zum Spielball des Dämons Jericho werden sollte…
***
Als Chato nach Sukos Arm faßte, blieb der Inspektor sofort stehen, denn hier in dieser Gegend mußte er sich einfach auf den Mann aus Arizona verlassen. »Was ist denn?«
Chato ließ den Arm los und ging einen Schritt zur Seite. Neben einer breiten an den Seiten mit Gittern versehenen Treppe blieb er stehen, runzelte die Stirn und drehte sich dabei auf der Stelle um, als rechnete er mit einer gewissen Gefahr. »Ich weiß es noch nicht…«
Es sah auch alles normal aus. Fußgänger kamen ihnen entgegen, Autos rollten über die Fahrbahn, die Menschen gingen ihren alltäglichen Geschäften nach oder lungerten auch herum, wie vor zahlreichen Häusern zu sehen war.
Der August hatte die Hitze und gleichzeitig die drückende Schwüle nach New York gebracht. Sie lag wie ein dumpfer Käfig über der Stadt und preßte alles zusammen. Zwar war die dicke Wolkendecke nicht gerissen, aber etwas dünner geworden, und die späte Nachmittagssonne hatte sich freie Bahn verschaffen können. Sie stach in die Straßenschlucht hinein und machte sie zu einem Kessel.
Irgendwo wölkte Dampf. Suko sah, daß der Qualm aus einem Bodengitter stieg und sich in Fußhöhe ausbreitete wie ein qualliger Nebel, der zudem noch den Geruch von feuchter Wäsche abgab.
Dort hatte sich die Gefahr nicht zusammengeballt. Ein Hupsignal quäkte über die Straße. Dann kreischten Reifen, weil ein Fahrer zu stark gebremst hatte.
Zwei Kids turnten über die Fahrbahn. Sie waren leicht angetörnt und grüßten den Fahrer mit obszönen Bewegungen, die der Mann gleichgültig zur Kenntnis nahm.
In Reichweite einer Geschäftsauslage blieben die beiden stehen. Dort türmte sich das Obst. Es lag zum Greifen nah, aber auch der Besitzer war da, und der tauchte plötzlich wie ein Geist hinter den Kisten auf. Er hatte unsichtbar zwischen ihnen und dem Schaufenster gehockt. In der Hand hielt er einen flachen Stab, der Elektroschocks verteilte. Als er damit wedelte, verschwanden die Kids. Obst hatten sie keines mitgenommen.
Brooklyner Alltag eben…
Chato glitt auf Suko zu. Der Indianer ging nicht, er ›glitt‹ nur immer.
Daran hatte sich Suko gewöhnt, »Hast du etwas herausgefunden?«
»Ja und nein.«
»Aber die Gefahr ist da?«
Chato nickte zögernd. »Sie ist vorhanden, Suko, und ich denke, daß ich den Ort kenne.«
»Wo denn?«
»Wir müssen noch weiter.«
Einen bestimmten Ort wußte Chato auch nicht. Suko blieb dicht an seiner Seite, immer einen halben oder einen vollen Schritt zurück. Er kam sich beinahe lächerlich vor, daß sie hier durch Brooklyn wie zwei Westernhelden schritten, aber Chato tat dies nicht ohne Grund.
Kurz vor einem Durchgang, als Einfahrt wirklich zu schmal, blieb er stehen.
»Hier?« fragte Suko.
»Kann sein.« Chato hatte kaum ausgesprochen, als er sich vom Fleck löste. Dabei drehte er sich nach links, um sich durch die schmale Lücke zu schieben.
Suko folgte seinem Beispiel.
In der Einfahrt wäre er fast gegen den Indianer gelaufen, weil dieser stehengeblieben war. Chato sprach kein Wort, er schaute nur nach vorn.
Suko blickte über seine Schulter hinweg, und was er sah, ließ ihn den Atem stocken…
***
Ich sterbe in dieser verdammten Gasse! Das Gezücht wird mich fressen, und es ist überall. Die Käfer, die Würmer, die Spinnen. Sie sind auf und auch in mir. Wie scharfe Blitzstrahlen schossen die Gedankenfetzen durch Tom Sengaras Kopf, und sie waren überhaupt nicht falsch. Er hatte der Invasion nicht entkommen können.
Mit dem Rücken lehnte er an der Wand. Der Strom der Kriechtiere hatte längst Besitz von ihm ergriffen. Sein Körper war nur mehr in den Umrissen zu erkennen, denn überall, an den Armen, den Beinen,
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