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Friedhofskind (German Edition)

Friedhofskind (German Edition)

Titel: Friedhofskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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anderen vor dem Friedhofstor und sah zusammen mit ihnen den Riesen an, der da stand und das, was sie gesucht hatten, auf den Armen hielt.
    Er hielt ihnen den erschöpften kleinen Körper wortlos entgegen.
    Eine leuchtend rote Schramme lief quer über Amys Wange. Sie hing schlaff und leblos in den großen Armen.
    Die Leute starrten ihn an, starrten das Kind an – und dann schrie jemand. Es war Amys Mutter. Die Katzenfrau.
    Ihr Schrei war unartikuliert und schrecklich, und sie stürzte vor, die Arme nach ihrer Tochter ausgestreckt, aber ihr Mann hinderte sie daran, er wollte nicht, dass sie das tote Kind anfasste, es war zu schrecklich. Sie rangen kurz miteinander, dann sackte sie in seinen Armen zusammen, und er hielt sie fest, sie und ihr Unglück, hielt sie, weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
    »Er hat sie umgebracht«, sagte Frau Hartwig. »Er hat die kleine Amy umgebracht. Und.«
    »Er hat sie ertränkt, wie die anderen«, sagte die Tapirhundefrau. »Unten am Steg. Wie Iris und Frau Berg. Er hat sie ertränkt. Und.«
    »Er hat sie getötet wie Frau Henning und Aljoscha und … und den Direktor«, sagte Lena leise. »Er hat Amy getötet. Und.«
    Da erst reagierte das Friedhofskind, der Riese, der Träger des Todes.
    Er ging einen Schritt rückwärts und begann, den Kopf zu schütteln.
    »Nein«, sagte er, »nein.« Mehr Worte schien er nicht zu haben. »Nein. Nein.«
    In diesem Moment schlug Amy die Augen auf.
    Die Katzenfrau riss sich von Amys Vater los, stürzte auf sie zu und pflückte sie aus den Armen des Riesen, ehe sie mit ihr zurückkehrte in die schützende Masse der Dörfler, sie hielt sie fest, klammerte sich an ihre Tochter, als wäre sie es, die beinahe ertrank.
    »Was«, sagte Kaminskis Stimme laut und deutlich. »Was hast du mit ihr gemacht?«
    Doch es gab keine Antwort. Nur das Kopfschütteln. Ein Wahnsinniger ohne Worte. Er hatte jetzt Angst, Angst vor ihnen, dem Dorf, sie sahen es. Sie spürten es. Sie rochen es. Seine Angst und ihre Wut vibrierten in der Luft und in ihren Adern.
    »Da steht er«, sagte einer der Fischer. »Da steht er, unser Mörder. Warum steht er noch da?«
    Jemand öffnete das Tor zum Friedhof.
    Sie waren wie Jagdhunde. Sie trieben ihre Beute hinein.
    †   †   †
    Siri fuhr den Hügel hinauf und sprang aus dem Auto. Das blaue Haus lag friedlich im frisch gewaschenen Herbstsonnenschein, der Sturm war vorüber.
    Sie rüttelte an der Haustür, fand sie verschlossen und lief außen um das Haus herum, durch den zerstörten Garten, zur Veranda.
    Die Verandatür war offen.
    Die Schaukelstühle standen leer an dem kleinen Tisch. Ein einzelner Zweig, abgebrochen vom letzten Sturm, stand in einer Vase. Seine Blüten waren braun und verwelkt, seine Blätter, die ins Wasser der Vase gefallen waren, begannen zu verrotten.
    Siri sah sich um, doch Iris war ihr nicht gefolgt.
    Sie musste alleine weitergehen.
    Sie ging.
    Sie ging durch die Küche, in der es nach den Keksblechen vergangener Jahrzehnte roch, sie ging die Treppe hinauf, die Kaminski mit seinen Leuten heraufgekommen war, vor hundert Jahren, auf der Suche nach Lenz. Die Erinnerung an seine schweren suchenden Schritte ließ Siri noch rascher die Stufen hinauflaufen. Sie stieß die Tür zum Schlafzimmer auf.
    Das Licht war freundlich darin, gefiltert von roten und gelben Mustern in den Vorhängen, es fiel auf helle Farben im Teppich und auf den Tapeten, auf orangerote Bettwäsche und weiß gestrichene Bettpfosten, warm, einladend, ganz anders als die Schatten im Dorf unten.
    Annelie lag im Bett oder saß viel mehr darin, die Augen geschlossen, den Oberkörper gestützt von einem Berg aus Kissen in freundlich violetten und rosafarbenen Bezügen, frisch gewaschen oder frisch aufgeschüttelt. Es roch nach dem entfernten Duft unaufdringlicher Schnittblumen, aber in den Geruch mischte sich der Geruch von zu stark riechender Seife, eine Art Krankenhausgeruch.
    Einen Augenblick lang fürchtete Siri, auch Annelie wäre tot. Aber sie sah sie atmen, mühsam, in kurzen, angestrengten Stößen, die beim Luftholen zwei symmetrische Gruben seitlich an ihrem Hals entstehen ließen.
    Sie trat ans Bett, ganz leise, und schob ihre Hand unter den Berg aus Kissen und lachte beinahe, als die Hand einen kleinen, kalten Gegenstand fand. Es war so ein Klischee. Unter dem Kopfkissen. Ha.
    »Annelie«, sagte Siri. Sie sprach sie zum ersten Mal mit dem Vornamen an.
    Annelie öffnete die Augen. Wenn sie erschrak, merkte man es ihr

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