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Friedliche Zeiten - Erzählung

Friedliche Zeiten - Erzählung

Titel: Friedliche Zeiten - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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kann. Kinder können keine neue Mutter finden, wenn die erste einmal im Grab ist, und von Stiefmüttern war ungefähr so viel zu halten wie von Schwiegermüttern, das eine wußten wir von den Osterloh-Kindern und das andere vom Vater, der dazu auch eine Menge Witze kannte, das also würde in keinem Fall gutgehen, und wir hatten den Vater irgendwann im Verdacht, insgeheim auch schon eine Stiefmutter für uns vorzubereiten, zwar mit geheiztem Badezimmer und Klo, weil er so dumm nicht wäre, zweimal den gleichen Fehler zu machen, aber die Osterloh-Uschi mit ihrer Zweitmutter hatte uns erzählt, wie es ist: Anfangs läßt es sich ganz gut an, dann verschlechtert es sich ein bißchen, dann verschärft es sich, und irgendwann weiß man, der Anfang war reine Verstellung. Und dabei hatten die Osterloh-Kinder immerhin zu ihrer Zweitmutter auch noch eine lebende Erstmutter, die sie an den Wochenenden sahen, wir dagegen stünden ganz ohne Erstmutter da, wenn unsere Mutter starb, und dann müßte die Stiefmutter sich natürlich nicht so zusammennehmen, wie sie muß, wenn noch eine Erstmutter da ist und an den Wochenenden die Kinder mit Brathähnchen und Limonade vollstopft, während in ihrer Grünebohnensuppe immer Fäden und Fettstücke sind. Deshalb also waren wir in der Sache mit den Schlüsseln auf der Seite des Vaters, konnten aber trotzdem nicht gemeinsame Sache mit ihm machen, weil wir die Stiefmutter so weit hinauszögern mußten, daß die Eltern in der Zwischenzeit vielleicht doch noch auf die Scheidung kamen und wir zu der unangenehmen Zweitmutter die Erstmutter behalten konnten, die sich dann womöglich nur noch am Wochenende wegen der Kinder Sorgen machen müßte, und Wochenendsorgen sind eine Kleinigkeit gegen Alltagssorgen, da also wäre sie raus, und was den Vater anging, so könnte sich fortan dann bitteschön seine neue Frau Sorgen darum machen, ob er wohl abends nach Hause kommt oder nicht. Er kam inzwischen ziemlich oft nicht nach Hause oder ging nach dem Abendbrot gleich wieder weg, und die Mutter merkte, wenn er dann irgendwann nachts doch noch kam und sie aus ihrer Schlaflosigkeit herausklingelte, weil sie ja aufstehen und die Sicherheitskette abmachen mußte, daß er frisch gebadet roch, das jedenfalls war kein Geheimnis, und sie sagte, sie würde sich entschlossen weigern, in einem gemeinsamen Bett mit einem Ehemann zu liegen, der frisch gebadet riecht, wenn er spät in der Nacht nach Hause kommt, also zog sie jedesmal, wenn er frisch gebadet nach Hause kam, mit all ihrem Bettzeug ins Wohnzimmer um, der Vater drehte im Schlafzimmer die Heizung an, und sie hatte anderntags Heimweh, Kreuzschmerzen und ihren Ischias eingeklemmt, weil das Sofa im Wohnzimmer keine solche verstellbaren Gesundheitsmatratzen hatte wie die Elternbetten im Schlafzimmer.
    Sie machte aber an solchen Abenden keine Rheinfahrt mehr mit uns, vielleicht weil wir zu groß dafür waren und sie uns nicht mehr in aller Eile Sachen verkehrtherum hätte überziehen können wie noch vor ein paar Jahren. Flori war inzwischen der einzige, der noch jeden Tag mit dem rosa Ohrenstäbchen die Ohren geputzt bekam, wenn die Mutter ins Badezimmer ging, während er drinnen war, und da sie ihn niemals aus einer Ohnmacht retten mußte, sah sie ihm wenigstens bei der Gelegenheit seine Ohren nach, und er hatte sie wieder nicht geputzt, und dann mußte also sie sie ihm putzen. Wasa und ich schauten uns nur voller Mitleid an und wurden still, wenn wir nebenan hörten, wie er im Badezimmer schrie, daß man hineinstürzen und ihn hätte retten mögen, weil es fast unmöglich ist, jemandem mit dem Metallstäbchen, auch wenn Watte drum ist, die Ohren zu putzen, ohne daß man versehentlich immer durchs Ohr durch direkt ins Gehirn kommt, und wir konnten uns noch gut daran erinnern und waren froh, daß die Mutter es bei uns nicht mehr machte, sondern uns nur noch in die Ohren sah und sagte, du mußt dir aber wirklich die Ohren mal waschen. Wir kämmten uns längst auch selbst, und wir durften uns selber die Haare waschen und die Nägel schneiden, und Flori tat uns leid, wie er nebenan brüllte, wenn die Mutter ihm die Nagelhaut an den Fingern und Zehen zurückschob, damit sie an den weißen Monden sehen konnte, ob er auch ein gesunder Junge ist, und wir wußten noch genau, wie es ist, wenn beim Zurückschieben die Nagelhaut dauernd einreißt, daß man brüllen muß; manchmal hörten wir ihn nebenan leise jammern, wenn er den Bauchnabel sauber gemacht bekam oder die

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