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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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Weiser solle man sich, so Demokrit, von Leidenschaft, Aberglauben und Furcht freizumachen versuchen und Glückseligkeit durch ein inneres Gleichmaß erreichen. Nietzsches bevorzugter griechischer Philosoph aber war Heraklit. Hier fand er eine wirkliche Affinität, eine Wahlverwandtschaft, die seine eigenen Vorstellungen stützte und förderte. Heraklit von Ephesos entstammte einer königlichen Familie, die ihn als Erstgeborenen zum Amt des Oberpriesters berechtigte. Doch Heraklit lehnte das ab und übergab das Amt seinem jüngeren Bruder. Er wollte sich nicht mit dem Gemeinwesen abgeben und verachtete auch das «demokratische Treiben» seiner Zeit, da er der Meinung war, nur die wenigsten Zeitgenossen würden den hohen Begriffen einer großen Persönlichkeit standhalten können, die doch erforderlich war, um ein solches Gemeinwesen zu lenken. Er trieb sich am liebsten in der Nähe eines Tempels herum und beobachtete dort die Kinder beim Spielen. Dieses Kinderspiel machte seine naturphilosophischen Betrachtungen sinnfällig: Die Welt ist ein Kosmos wogender Energien, denen jedoch eine höhere Ordnung zugrundeliegt. Die Welt ist ein «Spiel des Feuers» und keine Gottschöpfung. Im ewigen Spiel von Erzeugung und Zerstörung – wie bei einem Kind, das im Sandkasten spielt und seine eigenen Erzeugnisse wieder zerstört – erschöpft sich das Wesen der Welt. Die Vielheit der Dinge geht durch den Kampf der Gegensätze hervor, den in ewigem Zwiespalt befindlichen Antipoden, die sich äußern in Krieg und Frieden, Tag und Nacht, Sommer und Winter. Nichts davon ist gut oder schlecht. In allem ist Gegensätzliches vereint, da der Logos in diesem Fließen als geheimes Gesetz waltet, den allerdings, so Heraklit, nur die wenigsten Menschen erkennen. «Alles fließt!» («Panta rhei!»), dieser häufig schlagwortartig wiedergegebene Ausdruck des Philosophen für die Einheit des Werdens und Vergehens, das niemals zu einem statischen Sein erstarrt und infolgedessen auch uns selbst zu in jedem Augenblick veränderlichen Wesen erklärt, ist auch für Nietzsche ein überzeugendes Wirkungsgesetz. In seiner außermoralischen Suche und Orientierung will er keine Zweiheit der Welt, die sich aufteilt in Moral und Physik, Seele und Leib, Sein und Werden, sondern die Eine, die aber ohne Hinterwelt auskommt. Parmenides etwa, der von einer ungewordenen und unvergänglichen Substanz, dem «Seienden», ausgeht und alle Veränderungen nur als Schein und Trug der menschlichen Sinnesorgane erklärt, während das Wahre, Seiende, nur durch das Denken enthüllt werde, teilt die Welt auf in zwei Urstoffe: das helle und tätige Feuer und die dunkle, passive Masse. Auch Anaximander beantwortete seine Frage nach dem Urgrund der Welt mit der Konstatierung eines Urstoffs, der das «Göttliche», Ungewordene und Unvergängliche sei. Wie Nietzsche befremdet feststellte, ist für Anaximander alles Werden wie eine strafwürdige Emanzipation vom Sein anzusehen, «als ein Unrecht, das mit dem Untergange zu büßen ist» . In seinem Aufsatz von 1874 «Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen» erklärt Nietzsche: «Aus dieser Welt des Unrechtes, des frechen Abfalls von der Unreinheit der Dinge flüchtete Anaximander in eine metaphysische Burg.» Nur durch Mystik also konnte sich der ionische Naturphilosoph vor der Frage retten, woher der immer erneute Strom des Werdens kommt, der seinen Ursprung nur im ewigen Sein haben kann. Aber: «Mitten auf diese mystische Nacht, in die Anaximanders Problem vom Werden gehüllt war, trat Heraklit von Ephesos zu und erleuchtete sie durch einen göttlichen Blitzschlag. ‹Das Werden schaue ich an›, ruft er, und niemand hat so aufmerksam diesem ewigen Wellenschlag und Rhythmus der Dinge zugesehen. ‹Und was schaue ich? Gesetzmäßigkeiten, unfehlbare Sicherheiten, immer gleiche Bahnen des Rechtes, hinter allen Überschreitungen der Gesetze richtende Erinnyen, die ganze Welt das Schauspiel einer waltenden Gerechtigkeit und dämonisch allgegenwärtiger, ihrem Dienst untergebener Naturkräfte. Nicht die Bestrafung des Gewordenen schaute ich, sondern die Rechtfertigung des Werdens. Wann hat sich der Frevel, der Abfall in unverbrüchlichen Formen, in heilig geachteten Gesetzen offenbart? Wo die Ungerechtigkeit waltet, da ist Willkür, Unordnung, Regellosigkeit, Widerspruch; wo aber das Gesetz und die Tochter des Zeus, die Dike, allein regiert, wie in dieser Welt, wie sollte da die Sphäre der Schuld, der Buße, der

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