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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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sein zu dürfen als bis ich Ihre Zustimmung habe.» Schon das Mädchen Malwida stellte sich ihren drängenden Fragen. Sie hat Glaubenszweifel, die aber sehr viel mehr kirchliche Institutionszweifel sind, Zweifel an der ihr übermittelten Rolle der Frau, Zweifel an der Gesellschaft so, wie sie ist, am System, ihrem aristokratischen Herkunftsmilieu und auch an den unzureichenden Bildungsinhalten, die man ihr vorsetzte. Ihre Jugendliebe Theodor Althaus, Sohn des Detmolder Hofpredigers, damals Student der Theologie und ein leidenschaftlicher Religionsreformist, hat sie in ihren eigenen religionskritischen Impulsen bestätigt. «Ich erkannte, daß alle meine schmerzlichen religiösen Kämpfe nur die legitime Empörung des freien Gedankens gegen die versteinerte Orthodoxie gewesen waren und daß das, was ich für schuldig gehalten hatte, die Ausübung eines ewigen Rechts gewesen war. Ohne zu zögern, folgte ich meinem Freunde in die scharfe, gesunde Luft der Kritik.» Mit ihrer Hinwendung zu demokratischem Gedankengut und zu den brennenden Fragen ihrer Zeit – Massenarmut, soziale Frage … – wurde das Christentum für Malwida von Meysenbug eine Art tätiger Sozialismus, und auf diese Art blieb sie ihm immer verhaftet. Sie verkehrte auch in sozialistischen Kreisen und befasste sich mit Strömungen des Linkshegelianismus. Als ihr demokratisch gesinnter Freund Althaus von ihrem aristokratischen Umfeld geschnitten wird, muss sie erkennen: «Ich war hinfort im offenen Krieg mit der Welt, in der ich erzogen worden war, und es handelte sich nicht länger mehr um ein persönliches Gefühl, sondern um die Freiheit meiner Überzeugungen. Ich hatte den Kampf der Freiheit gegen die absolute Autorität begonnen.» Die gescheiterte Revolution konnte sie in ihren Überzeugungen nur noch bestärken. 1850 begann sie ihr Studium an der neugegründeten Hamburger Frauenhochschule mit dem Ziel, Pädagogin zu werden. Die Schule war aus dem Geist der Reformbestrebungen von 1848 entstanden, doch die sich ausbreitende Reaktion machte auch diesem Projekt schließlich ein unvermitteltes Ende. Der drohenden Verhaftung entging Malwida durch die Emigration nach England, wo sie mit führenden Persönlichkeiten der Londoner Emigrantenszene aus Ungarn, Polen, Italien, Frankreich und Deutschland bekannt wurde: Gottfried und Johanna Kinkel, Alexander Herzen, Giuseppe Mazzini, Giuseppe Garibaldi, Louis Blanc, Lajos Kossuth, Ferencz und Therese Pulszky, Ferdinand Freiligrath. Da sie von ihrer Familie keine Unterstützung annehmen und nach dem frühen Tod ihrer großen Liebe Theodor Althaus auch keine konventionelle Ehe eingehen wollte, verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt durch mühsames Stundengeben in den Häusern der englischen Aristokratie und des höheren Bürgertums. Es folgten Paris und weitere schmerzliche Trennungen. Malwida, die ihre persönliche Erfüllung in der Fürsorge für ihre Adoptivtochter Olga Herzen gefunden hatte und wieder vereinsamte, als diese heiratete, stellte ihre späten Jahre ganz in den Dienst der Wegbegleitung hochbegabter und anlehnungsbedürftiger Dichter und Denker – ein Komponist, Richard Wagner, Gesamtkunstwerk seiner selbst, war auch unter ihnen. Sie hatte selbst eine spannungsreiche Wegstrecke hinter sich: Offenbarungskritik, kritische Theologie, Neuhumanismus und sozialistisches Christentum, politische Theorie bis hin zu Positionen der radikalen Linken nach dem parlamentarischen Scheitern, Kontakte und Debatten mit führenden Revolutionsaktivisten, Pädagogikstudium, Materialismus und Hegelianismus, Wagnerianismus am Ende, Armenspeisungen und Kampf für die Frauenrechte, Emigration, Flucht, Neuanfang für und für, freie Erwerbstätigkeit und die gesellschaftlich keineswegs sanktionierte Existenz der alleinlebenden Frau, zudem politisch gebrandmarkt. Sie wusste, dass viele Geisteshaltungen Durchgangsstadien zu einem neuen Punkt der Überschau waren, und sie konnte die Wege und Wirren ihrer genialen Schützlinge verständnisvoll, anregend und mit Umsicht begleiten. Schreibt sie doch selbst etwa über die letzte Zeit ihres Exils: «Ich war damals theoretisch noch in der positivistischen Richtung befangen, die sich bei mir, vielleicht als Reaktion gegen den unbestimmten, suchenden Idealismus meiner Jugend, besonders seit der Hochschule zu Hamburg und der dort gemachten näheren Bekanntschaft mit den Naturwissenschaften Bahn gemacht hatte. Mein Empfinden zwar widersprach dieser Richtung eigentlich auf Schritt und

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