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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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Herzenswünsche, die mit hinterher gesuchten Gründen verteidigt werden – logische Fiktionen im Wesentlichen, da die Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt des Unbedingten, Sich-selbst-Gleichen gemessen wird, wobei die «Hauptfiktion» , größter Dogmatiker-Irrtum, Platons Erfindung vom reinen Geiste sei und vom Guten an sich. Es gibt keine «causa sui», kein «Ding an sich», keine «absolute Erkenntnis», aus der die Gesetze folgen und die Kausalverbände – das alles waren bislang die metaphysischen Grundlagen für die abgeleiteten Wertsetzungen. Selbst Begriffe wie «Ursache» und «Wirkung» sind konventionelle Fiktionen zum Zweck der Bezeichnung und der Verständigung, nicht der Erklärung. «Wir sind es, die allein die Ursachen, das Nacheinander, das Füreinander, die Relativität, den Zwang, die Zahl, das Gesetz, die Freiheit, den Grund, den Zweck erdichtet haben; auch wenn wir diese Zeichen-Welt als «an sich» in die Dinge hineindichten, hineinmischen, so treiben wir es noch einmal, wie wir es immer getrieben haben, nämlich mythologisch. Der ‹unfreie Wille› ist Mythologie: im wirklichen Leben handelt es sich nur um starken und schwachen Willen.» Nietzsches «Wille zur Macht» ist das gestaltende Lebensprinzip, in dem auch der Selbsterhalt nur ein Ausfluss ist, möglicherweise seine mächtigste Form. Aber er wirkt in einer Welt ohne Wahrheit und Hinterwelt, Sinn und Ziel, in der es zwar eine Verwirklichung gibt, aber keine Sicherheiten und keine Inhalte.
    In einer solchen Welt kann sich der freie Geist nur selbst seine Proben geben, dass er zur Unabhängigkeit und zum Befehlen bestimmt ist. Er wird keiner Probe aus dem Wege gehen, und er spielt dabei das gefährliche Spiel, bei dem er sein eigener Zeuge ist und sein eigener Richter. «Nicht an einer Person hängenbleiben: und sei sie die geliebteste, – jede Person ist ein Gefängnis, auch ein Winkel. Nicht an einem Vaterlande hängenbleiben: und sei es das leidendste und hilfbedürftigste, – es ist schon weniger schwer, sein Herz von einem siegreichen Vaterlande loszubinden. Nicht an einem Mitleiden hängenbleiben: und gälte es höheren Menschen, in deren Marter und Hilflosigkeit uns ein Zufall hat blicken lassen. Nicht an einer Wissenschaft hängenbleiben: und locke sie einen mit den kostbarsten, anscheinend gerade uns aufgesparten Funden. Nicht an seiner eignen Loslösung hängenbleiben, an jener wollüstigen Ferne und Fremde des Vogels, der immer weiter in die Höhe flieht, um immer mehr unter sich zu sehn: – die Gefahr des Fliegenden. Nicht an unsern eignen Tugenden hängenbleiben und als Ganzes das Opfer irgendeiner Einzelheit an uns werden, zum Beispiel unsrer ‹Gastfreundschaft›: wie es die Gefahr der Gefahren bei hochgearteten und reichen Seelen ist, welche verschwenderisch, fast gleichgültig mit sich selbst umgehn und die Tugend der Liberalität bis zum Laster treiben. Man muß wissen, sich zu bewahren: stärkste Probe der Unabhängigkeit.»
    Weiter geht er, der große «Versucher» , denn der Lebens-Wille, der sich zum unbedingten Macht-Willen steigert, erfährt auch, «daß Härte, Gewaltsamkeit, Sklaverei, Gefahr auf der Gasse und im Herzen, Verborgenheit, Stoizismus, Versucherkunst und Teufelei jeder Art, daß alles Böse, Furchtbare, Tyrannische, Raubtier- und Schlangenhafte am Menschen so gut zur Erhöhung der Spezies ‹Mensch› dient, als sein Gegensatz.» Wir lassen das stehen. Der Denker setzt ungeschiedenes Material und den Lebensstoff, der Gut und Böse nicht kennt. Der freie Geist jedenfalls fasst dieses Material ohne Hintergedanken. Er ist der einzige Geist, der einer Welt ohne Sinn und ohne Hinterwelt menschlich gerecht werden kann. «In vielen Ländern des Geistes zu Hause, mindestens zu Gaste gewesen; den dumpfen angenehmen Winkeln immer wieder entschlüpft, in die uns Vorliebe und Vorhaß, Jugend, Abkunft, der Zufall von Menschen und Büchern, oder selbst die Ermüdungen der Wanderschaft zu bannen schienen; voller Bosheit gegen die Lockmittel der Abhängigkeit, welche in Ehren, oder Geld, oder Ämtern, oder Begeisterungen der Sinne versteckt liegen; dankbar sogar gegen Not und wechselreiche Krankheit, weil sie uns immer von irgendeiner Regel und ihrem ‹Vorurteil› losmachte, dankbar gegen Gott, Teufel, Schaf und Wurm in uns, neugierig bis zum Laster, Forscher bis zur Grausamkeit, mit unbedenklichen Fingern für Unfaßbares, mit Zähnen und Mägen für das Unverdaulichste, bereit zu jedem Handwerk, das

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