Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
Vom Netzwerk:
identifizieren müssen.
    Der Tathergang war schwer zu rekonstruieren. Bislang liefen ihre Vermutungen darauf hinaus, dass der Täter durch den unverschlossenen Hintereingang das Haus betreten hatte. Dabei hatte er Fußspuren im Schnee hinterlassen, die zumindest in diesem Fall die Mittäterschaft eines Komplizen ausschlossen. Im Schlafzimmer hatte er dann Wichmann überwältigt, misshandelt und getötet. Erst danach hatte er die Zimmer durchsucht. Ob er erfahren hatte, was er um jeden Preis wissen wollte, ließ sich, abgesehen von den offenbar fehlenden Aktenordnern, aus der Suche nicht ableiten. Sicher war nur, dass der Täter sein Opfer bewusst ermordet hatte, wahrscheinlich, um keinen Zeugen zurückzulassen. Wieder hatte er Handschuhe getragen und auch auf seine Schuhe geachtet, denn im Haus waren keine Abdrücke oder Spuren zu finden gewesen. Wie er dieses Problem gelöst hatte, konnten sie nur raten. Herbert Pütthus hatte simple Hausschuhe zur Diskussion gestellt.
    Verschwiegen hatte er Mona auch, dass Dr. Wilms, die zuständige Staatsanwältin, nach dem Betrachten der Tatortfotos eine Art cholerischen Anfall bekommen hatte. »Beenden Sie das!«, hatte sie ihm mehrmals hintereinander im Befehlston aufgetragen. »Beenden Sie das! Stellen sie dieses brutale Morden, diesen Hinschlachten sofort ab!«, hatte sie getobt, als sei die Aufklärung weniger brutaler Morde nicht so dringlich. »Finden Sie den Mann! So schnell wie möglich! Am besten noch heute!«
    Aber daran war gar nicht zu denken. So rücksichtslos der Täter war, so umsichtig ging er vor. Schnell war er außerdem. Hatte er sein Ziel bei Wichmann nicht erreicht, könnte er schon am nächsten Tag erneut zuschlagen. Sogar an eine Mitteilung an die Presse hatte Greven schon gedacht, doch was sollte er den Lesern sagen? Ein brutaler Mörder könnte schon morgen vor Ihrer Hintertür stehen und Ihnen Fragen stellen, die Sie nicht beantworten können ? Nicht einmal das Motiv könnte er angeben, es sei denn, die Presse würde sich mit »Suche nach irgendetwas« zufriedengeben. Nein, diese Möglichkeit schied aus. So wie es aussah, brauchte er einen entscheidenden Hinweis oder einen weiteren Zufall, um endlich die Fährte aufnehmen zu können.
    Gerade hatte er per Fingerdruck aufs Display einen zweiten Espresso in Auftrag gegeben, als sein Handy summte und Häring als Anrufer anzeigte. Greven ging ein paar Schritte zurück, um dem Lärm der Kaffeemaschine zu entgehen.
    »Wir haben Glück«, begann Häring. »Im letzten noch ungeöffneten Karton war doch eine kleine Tasse mit fast verschwundener Goldschrift!«
    »Zur Konfirmation«, zitierte Greven den noch lesbaren Teil auf der Tasse.
    »Genau. Das Labor konnte die Schrift auf der Innenseite wieder lesbar machen. Dort hat auf jeden Fall der Name ›Thalke‹ gestanden. Wahrscheinlich ›Für Thalke‹. Wichmann aber hat keine Verwandte, die Thalke hieß, das hat mir sein Sohn gerade versichert. Über den Freundeskreis weiß er allerdings fast nichts. Die beiden hatten kaum Kontakt.«
    »Thalke«, wiederholte Greven. »Ich glaube, ich werde noch einen weiteren Zwischenstopp einlegen.«

 
     
     
     
    9
     
    Der rote Jaguar war von der Straße aus zu sehen. Sophie von Reeten war also zu Hause. Langsam bog er in die Einfahrt ein und parkte neben dem raren Oldtimer. Wie beim ersten Mal gönnte er sich das Vergnügen, den Wagen zu umrunden. Der Lack wirkte stumpfer, änderte aber nichts an seinem Urteil. Zu seinem Bedauern hatte der Schnee inzwischen seine Reinheit eingebüßt und ging mehr und mehr in ein schmutziges Grau über. Vor der Treppe zur Haustür kam ein teures Granitpflaster zum Vorschein.
    Der erste kurze Druck auf den Klingelknopf blieb ohne Folgen. Erst nach einem zweiten, intensiveren Versuch konnte er im Haus zwei laute Frauenstimmen hören, die offenbar unterschiedliche Meinungen austauschten. Da sich an seiner Situation immer noch nichts änderte, setzte er zum dritten Mal den Zeigefinger an. In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, wenn auch nur zu etwa einem Drittel. Hinter dem Türblatt kam Annalinde von Reeten zum Vorschein, die ihn mit einem Blick bedachte, als leide er unter der Beulenpest.
    »Moin, könnte ich Ihre Mutter sprechen?«
    Die Antwort des erneut in schwarz gehüllten Teenagers war ein betontes, desinteressiertes Zögern, gefolgt von einer minimalen Kopfbewegung, die er wohlwollend als Einladung interpretierte. Mit sanftem Druck vergrößerte er den Türspalt, trat ein und

Weitere Kostenlose Bücher