Friesengold (German Edition)
während er versuchte, den Weg des Täters durch das Wohnzimmer zu rekonstruieren. Ihm ging es um die Beantwortung der Frage, wo er seine Suche begonnen hatte. Welche Schranktür, welche Schublade er für die aussichtsreichste gehalten hatte.
»Vielleicht sein Leben?«, sagte Peters spontan.
»Gar nicht mal schlecht«, brummte Greven. »Gar nicht mal so schlecht.«
»Der große Unbekannte.«
»Er könnte tatsächlich das Agens sein«, dachte Greven laut.
»Agens?«
»Die Triebfeder. Der Anstifter. Der Auftraggeber.«
»Wenn ich mir die Schubladen und geöffneten Fächer so ansehe, dann sucht er ein Objekt, das einen Durchmesser von mindestens dreißig Zentimetern hat«, konstatierte Häring, der sich die schon betagte Schrankwand näher besah. »Dieses wahrlich kuriose Zigarrenfach, oder was immer das ist, hat er zum Beispiel nicht geöffnet.«
Sie gingen ins Esszimmer, in dem der Täter nur die großen Türen eines Sideboards geöffnet, aber nichts herausgerissen hatte. Auch in der Küche hatte er offenbar nur die Schränke geöffnet und war dann in das kleine Arbeitszimmer vorgedrungen. Dort hatte er sich so richtig ausgetobt. Aber wieder war die Ordnung im Chaos zu erkennen. Sobald sich das Auge an die Akten und Papiere gewöhnt hatte, die das Parkett bedeckten, tauchten Strukturen auf, konnten sie sich den Täter vorstellen, wie er Schublade für Schublade und Karton für Karton geöffnet und durchwühlt hatte. Die Bücher in den Regalen hatten ihn nicht interessiert. Nicht eines hatte er herausgezogen.
»Apropos Kartons«, bemerkte Peters nach einigen Minuten schweigsamer Begutachtung des Arbeitszimmers. »Was hat es eigentlich mit denen auf sich?«
Hinter dem Schreibtisch mussten sie in Reih und Glied gestanden haben. Acht große Umzugskartons. Drei standen offenbar noch an ihrem Platz. Durchsucht worden aber waren sie alle. Bis auf einen.
8
»Du hast schon fünf Bilder verkauft?«
»Ja! Stell dir das mal vor! Fünf Bilder in nur drei Tagen! Und das in Aurich!«
Greven hatte die roten Punkte gezählt, die ein Galerist üblicherweise auf die Titel- und Preisschilder klebt, um ein Bild als verkauft zu deklarieren. Leider war auch sein Lieblingsbild dieser Serie dem Interesse eines Sammlers zum Opfer gefallen, ein wahrhaft schräger Blick auf Rücken und Hinterkopf von Minnie Schönberg. Dennoch war ihr typisches Lächeln zu erahnen, war Teil des Bildes, ohne abgebildet zu sein. Greven war stolz auf seine Lebensgefährtin. Nicht jeder konnte so malen.
Außer ihm und Mona befanden sich noch drei Besucher in der Galerie. Der Besitzer hatte sich den Nachmittag freigenommen und seiner Künstlerin die Aufsicht überlassen. Greven hatte sich noch einmal im Haus in der Oldersumer Straße umgesehen, aber keine weiteren Hinweise oder Spuren finden können. Den Rückweg hatte er so gewählt, dass er Mona einen Besuch abstatten konnte. Er wollte sich noch ein wenig ablenken, wollte einfach zwischendurch das Thema wechseln, eine Pause machen. Der sich abzeichnende Erfolg der Ausstellung führte sie jedoch schnell zurück zur Vernissage und somit auch zurück zum aktuellen Fall.
»Sie lügt! Sie muss lügen!«
»Nein, Mona, so leicht lasse ich mir nichts vorspielen!«
»Von so einer Frau schon!«
»Auch von so einer Frau nicht, was immer du damit meinst!«
»Was schon? Sie hat dich becirct, diese adelige Domina. Das ist alles. Ich hab doch genau gesehen, wie du sie angestarrt hast!«
»Nicht so laut, Mona. Erstens habe ich sie nicht angestarrt und zweitens war es rein dienstlich.«
Mona sah ihn schmollend an, aber es war nicht tödlich. Nachdem sie sich kurz zu den Besuchern umgedreht und ihnen zugelächelt hatte, kehrte sie wieder in ruhigeres Fahrwasser zurück.
»Sie hat also diesen Wichmann wirklich nicht gekannt?«
Greven schüttelte den Kopf. »Nein, sosehr ich auch darauf gehofft hatte, sie hat wirklich keine Ahnung, wer er war. Und zwischen Wichmann und Onken konnten wir auch keinerlei Verbindung herstellen. Das heißt, noch nicht. Edzard und Peter sortieren gerade Wichmanns Umfeld.«
»Was war das für ein Mann?«
»Ein verwitweter pensionierter Oberstudienrat. Ein unauffälliger, aber hilfsbereiter Nachbar. Seine Frau ist bereits vor mehr als zwanzig Jahren gestorben. Ein Kind, ein Sohn, der in Frankfurt in einer Bank arbeitet.
»Vermögend?«
»Der Sohn oder das Opfer?«
»Wichmann natürlich!«, zischte Mona.
»Na ja, das Haus, ein kleines Aktienpaket, ein
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