Friesengold (German Edition)
Spitzname besagte ja auch nicht, dass er sich selbst gegenüber geizig war, sondern nur in Bezug auf seine Mitmenschen und Geschäftspartner. Die Antiquitäten, die ihn umgaben, waren jedenfalls außergewöhnlich und zogen sofort Grevens Aufmerksamkeit auf sich. Besonders die Anrichte aus Eiche hatte es ihm angetan.
»Ein besonders schönes Stück«, erklärte Grönmann. »Ich hatte das große Glück, es vor Jahren auf einer Versteigerung zu einem äußerst günstigen Preis erwerben zu können. Eine Insolvenz. Kommt immer vor. Aber setz dich doch.«
Greven löste sich von dem Schmuckstück und ließ sich in den dunkelroten Ledersessel sinken.
»Wie wäre es mit einer Tasse Tee?«
»Da sage ich nicht nein.«
Grönmann ging zur Tür und rief etwas in den Flur. Nach einem kräftigen Zug an seiner Zigarre setzte auch er sich und lehnte sich entspannt zurück.
»Am Telefon sagtest du etwas von Thalke …?«
»… von und zu Aldenhausen. Sie war doch deine Lebensgefährtin, oder?«
»Ja!«, antwortete der dicke Mann und inhalierte ausgiebig. »Das war sie. Thalke von und zu Aldenhausen. Fast drei Jahre waren wir zusammen. Aber dann haben sich unsere Wege wieder getrennt. Wie das im Leben so ist. Ich bin seit der Trennung allein. Thalke hat bei einem Empfang in Aurich diesen Lehrer kennengelernt. Das Mordopfer. Hartmut Wichmann. Der hatte offenbar etwas, was ich nicht hatte. Und weg war sie. Nicht ganz zwei Jahre später ist sie dann plötzlich gestorben. Ich habe es aus der Zeitung erfahren.«
Grönmann erzählte ruhig und gelassen. Ein souveräner Mann, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringen konnte. Ein Mann, der die Freundlichkeit professionalisiert hatte und als Allzweckwaffe zu nutzen verstand. Es war diese beruhigende Freundlichkeit, dieses entspannte, auf den ersten Blick sympathische Lächeln, das bei ahnungslosen oder unbedarften Menschen Vertrauen hervorrief und sie leichtfertig Verträge abschließen ließ.
»Kanntest du eigentlich Wichmann?«
»Ich habe ihn ein- oder zweimal getroffen. Zusammen mit Thalke. Sie waren zum Bummeln nach Greetsiel gekommen. Von Kennen kann also nicht die Rede sein. Sag mal, du willst doch wohl etwa nicht mich mit diesem schrecklichen Mord in Verbindung bringen?«
Nun gab Greven den Gelassenen und Souveränen: »Das weiß ich noch nicht. Ich bin ja gerade erst dabei, mir eine Auswahl von Verdächtigen zusammenzustellen.«
Grönmann aber ließ sich nicht beeindrucken. Er zog lediglich an seiner Zigarre und lächelte. In diesem Augenblick klopfte es. Die Tür wurde geöffnet, und eine Frau mittleren Alters servierte auf einem Tablett den Tee.
»Frau Tjarden, meine Haushälterin«, stellte sie Grönmann kurz vor.
Greven nickte, wartete das Ritual des Einschenkens ab und fuhr dann fort: »Bei Wichmann haben wir einen Teil von Thalkes Erbe gefunden. Hast du eine Idee, wer außer Wichmann noch etwas geerbt hat?«
»Falls du da an mich denkst, ich bin leer ausgegangen. Wie ich dir schon erzählt habe, habe ich in der Zeitung ihre Todesanzeige gelesen. Das war alles.«
»Nicht doch einen kleinen Umzugskarton?«
»Nein, das wüsste ich«, lächelte Grönmann gekonnt. »War das Erbe etwa das Mordmotiv?«
»Erstaunt dich das so?«
»Ehrlich gesagt, sogar sehr, denn bei Thalke war schon zu meiner Zeit nichts zu holen. Sie war pleite. Total pleite. Adelig, anspruchsvoll, extravagant, aber pleite.«
»Keine Wertsachen? Kein Schmuck? Keine frei veräußerlichen Wertpapiere?«
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Grönmann, legte die Zigarre auf den riesigen Aschenbecher, der auf einem kleinen Tischchen neben seinem Sessel stand, und griff zur Teetasse. Greven folgte ihm. Der Tee war erstaunlich gut. Kein Sonderangebot, sondern ein echter Ostfriesentee. Zumindest beim Tee war er also nicht karig. Aber den trank er ja auch fast immer selbst.
»Was hat es jetzt denn mit dem Erbe auf sich? Viel kann sie doch gar nicht hinterlassen haben?«
»So scheint es zumindest. Aber dennoch hat Wichmanns Mörder ein besonderes Interesse an Thalkes Erbe gezeigt. Außerdem ist er auch noch bei einer Verwandten von ihr eingebrochen und hat dort ebenfalls intensiv gesucht. Bei Wichmann hat der Mörder wahrscheinlich zwei Aktenordner aus den Umzugskartons mitgehen lassen. Bringt dich das vielleicht auf eine Idee? Was könnte in diesen Ordnern gewesen sein?«
Greven glaubte, eine Veränderung in Grönmanns Gesicht zu erkennen, eine kaum wahrnehmbare Bewegung der Mundwinkel und der
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