Friesengold (German Edition)
behaupteten. Und beide schafften sie mühelos drei Fische.
Nach dem Essen hätte sich Greven gerne auf die Couch gelegt und sich einer schwarzen Scheibe hingegeben, aber das ließ sein Dienst nicht zu. Es reichte gerade noch für einen Espresso und ein kurzes Gespräch, das ihn bereits wieder auf den aktuellen Fall zusteuern ließ. Kaum hatte er Mona von seinem Besuch bei Grönmann berichtet, begannen ihre Augen zu leuchten.
»Es kommt nur ein familiäres Motiv in Frage. Von und zu Aldenhausen. Weißt du eigentlich, was das bedeutet?«
»Dass die Familie zum Adel gehört«, antwortete er trocken. »Wie die Grafen zu Inn- und Knyphausen oder die von und zu Guttenbergs.«
»Das meine ich nicht. Das Adelsgeschlecht von und zu Aldenhausen ist ostfriesischer Uradel mit einer Stammlinie, die bis ins frühe Mittelalter reicht.«
»Das hört sich so an, als ob du kürzlich beim Friseur warst.«
»Das weiß man, auch ohne den dritten Bildungsweg zu bemühen«, rollte Mona mit den Augen. »Ich wollte nur vorsichtig darauf hinweisen, dass die von und zu Aldenhausen in Ostfriesland eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Rolle spielen. Ganz abgesehen von der wirtschaftlichen. Denk nur mal an die Ländereien rund um Aurich. Ubbo von und zu Aldenhausen ist MdB; Alko, sein Sohn, ist Chef der IHK.«
»Ich weiß noch immer nicht, worauf du hinauswillst.«
Mona blickte ihn vielsagend an: »Das habe ich doch schon gesagt. Für mich kommt nur ein familiäres Motiv in Frage. Ich wette, diese Thalke von und zu Aldenhausen hat eine Leiche im Keller, die auf keinen Fall ans Tageslicht kommen darf. Also wurde ein Killer damit beauftragt, die Leiche für immer zu beseitigen. Er soll alle belastenden Papiere oder Fotos oder was sonst noch in Frage kommt vernichten. Mitsamt den Zeugen natürlich, die von der Leiche wussten. Im Namen der Ehre des Geschlechts von und zu Aldenhausen.«
»Ich glaube, du warst doch beim Friseur. Oder du hast bei einer Freundin heimlich Privatfernsehen geschaut.«
Mona reagierte auf diese Antwort mit einem Gesicht, das Greven an seine alte Deutschlehrerin denken ließ. Vor allem, wenn sie ein Diktat zurückgab, das er aus Versehen mitgeschrieben hatte, weil ihm seine Eltern eine Entschuldigung verweigert hatten. Aber er hatte seinen Gedanken noch nicht zu Ende gebracht.
»Andererseits ist die Idee gar nicht mal so abwegig.«
Sofort wich die Finsternis einem zufriedenen Lächeln.
»Thalke hat offenbar ein ansehnliches Vermögen durchgebracht. Aber das dürfte kaum ein Geheimnis sein. Auch ist eine solche Verfehlung als Motiv ungeeignet. Wenn es in die Richtung geht, die du vermutest, dann hat es etwas mit ihren Liebhabern, mit ihren Lebensabschnittsgefährten zu tun.«
»Von denen wir erst zwei kennen«, warf Mona triumphierend ein.
»Oder mit ihren Exehemännern. Aber was könnte so gefährlich für den Ruf der Familie von und zu Aldenhausen sein, bleiben wir bei deiner These, dass man sich genötigt sieht, einen professionellen Auftragskiller anzuheuern?«
»Ein Verhältnis«, schlug Mona vor. »Ein Verhältnis mit einer Persönlichkeit, die, wie es so schön heißt, im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht.«
»Wir leben aber im 21. Jahrhundert.«
»Stimmt auch wieder«, musste Mona zugeben.
»Außerdem muss deine Leiche im Keller nicht gleich den ganzen Clan bedrohen. Es reicht aus, wenn ein Mitglied seine Existenz gefährdet sieht. Massiv gefährdet sieht.«
»Oder einer ihrer Liebhaber. Vielleicht muss man nur die Perspektive ändern?«
Der Gedankengang gefiel Greven, und er folgte ihm umgehend. Er war mehr als gespannt, was das Testament offenbaren würde. Auch wurde ihm klar, dass die bisherigen Ermittlungen viel zu kurz griffen. Für ihn rückte jetzt Thalke ins Zentrum. Sie könnte tatsächlich der Schlüssel sein.
»Wir müssen so schnell wie möglich ihr gesamtes Liebesleben offenlegen«, sagte er mehr zu sich als zu Mona. »Wie gut, dass wir den Neuen haben.«
Das Szenario, das er sich zurechtbastelte, stieß jedoch schon nach kurzer Zeit auf Widerstand in Form herausgerissener Schubladen und durchwühlter Kisten und Kartons. Der Täter hatte ja nicht bloß nach Akten und Papieren gesucht, sondern auch nach einem Gegenstand. Und der besaß, dessen war er sich inzwischen wieder sicher, einen hohen materiellen Wert. Oder hatte er sich einfach nur vom ersten Tatort täuschen lassen? Hatte er vorschnell nur deshalb auf etwas Materielles getippt, weil der Täter in einer
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