Friesengold (German Edition)
zurück zum Wagen. Dafür wählte Greven jedoch einen Umweg, der sie an den Nebengebäuden vorbeiführte. Erst als sie außer Sicht- und Hörweite waren, begannen sie, ihre Eindrücke zu diskutieren.
»Wenn Onken hier war, dann hat er auch Folef und Abbo gekannt«, preschte Häring vor.
»Wobei uns Abbo noch in der Sammlung fehlt«, sagte Greven. »Aber du hast natürlich recht. Wichtigstes Faktum ist zunächst einmal, bevor wir wieder mit Vermutungen um uns werfen, dass er auch das Schloss und das Gelände kannte.«
»Und damit auch den Schatz. Ein echtes Highlight für einen Goldschmied.«
»Wir brauchen unbedingt diesen Dieter Polder«, brummte Greven. »Sonst landen wir in einer Sackgasse, aus der wir ohne Wilms’ Zustimmung nicht so leicht wieder herauskommen.«
»Und wenn das Zeug echt ist?«
»Dann landen wir auch ohne sie in der Sackgasse.«
Eine paar Schritte schwiegen sie und sahen sich die Nebengebäude an, von denen sich nicht alle in einwandfreiem Zustand befanden. Einer der Scheunen fehlten ein paar Ziegel. Das Glas der kleinen Sprossenfenster war blind. Selbst im Januar war zu erkennen, wie Brennnesseln, Holunder und Wilde Möhre den Backsteinbau in wenigen Monaten bereits wieder umzingeln würden.
»Was hältst du von ihr?«, fragte Greven.
»Das mit Onken hätte sie uns auch verschweigen können«, meinte Häring.
»Andererseits weiß Friedeborger nicht, was wir wissen. Er könnte ihr geraten haben, lieber die Wahrheit zu sagen. Oder wenigstens einen Teil der Wahrheit, die wir schwerlich überprüfen können. Sie hätte sich keinen besseren Ratgeber anlachen können. Bestimmt nicht. Am Ende ist er noch der Familienanwalt. Dann können wir ein Gutachten gleich vergessen. Und wenn die Stiftung beschließt, das Friesengold nicht mehr auszuleihen, bleibt es für immer hinter Panzerglas.«
»Versteif dich nicht allzu sehr auf dieses blöde Gold!«, mahnte Häring. »Onken kann es sich einfach nur angesehen haben. Denke auch mal an die Zeit. Das ist mehr als fünf Jahre her. Ermordet wurde er aber jetzt.«
»Ja, ja!«, ärgerte sich Greven über die nüchterne und sachliche Argumentation seines Kollegen. »Aber wie du weißt …«
»Jetzt komm nicht schon wieder mit deinem Zufall«, warf Häring ungewohnt resolut ein. »Lass uns lieber Abbo noch einen Besuch abstatten.«
Greven wollte gerade seine Sichtweise verteidigen, als er eine schwarze Gestalt hinter dem Stallgebäude verschwinden sah, das nicht weit von ihnen entfernt neben der Reithalle stand. Allenfalls für eine Sekunde war sie in sein Blickfeld geraten. Es war ein Mädchen gewesen. Ein Teenager. Mit einem langen, schwarzen Mantel und schwarzen Haaren.
»Hast du sie gesehen?«
»Wen gesehen?«, fragte Häring irritiert.
»Na, das Mädchen!«, antwortete Greven und beschleunigte seine Schritte. Häring folgte ihm und hatte ihn schnell eingeholt.
»Welches Mädchen?«
Der Weg, den sie für ihren 100-Meter-Lauf ausgewählt hatten, bestand aus zerschlagenen Dachziegeln, Bauschutt und Matsch, der bei jedem Schritt aufspritzte. Ihre Hosen waren binnen Sekunden reif für die chemische Reinigung. Aber der Untergrund barg noch ganz andere Gefahren. Kurz bevor Greven den Misthaufen hinter dem Stallgebäude erreichte, verweigerte der aufgeweichte Boden seinem rechten Schuh den Halt. Wie auf Eis glitt sein Fuß nach vorne und entzog ihm so das Gleichgewicht. Der Aufschlag war nicht hart, der Matsch nahm ihn gnädig auf und bereitete ihm ein weiches Lager, assistiert von einer mittelgroßen Pfütze, deren Wasser nach Kindheit schmeckte.
»Scheiße, verfluchte!«
Die erste Bewegung war die seiner rechten Hand, die sein fragiles Knie suchte. Aber das hatte den Sturz gut überstanden. Auch sonst schien er keine nennenswerten Blessuren davongetragen zu haben. Mit Härings Hilfe stand er schnell wieder auf den Beinen, die er auch gleich einsetzte, um zum Stallgebäude zu gelangen.
»Gerd!«, rief ihm Häring vergeblich hinterher.
Die schwarze Gestalt war verschwunden. Auf dem schmalen und gepflasterten Weg waren zwei deutlich farbiger gekleidete Mädchen damit beschäftigt, Pferdeboxen auszumisten. An einer der Boxen standen Talea von und zu Aldenhausen und Dr. Friedeborger, die ihn erst verwundert, dann aber schmunzelnd ansahen.
»Sie hätten den rechten Pfad nicht verlassen sollen«, rief ihm die Gräfin zu. »Na, kommen Sie schon her, ich werde versuchen, sie vom Gröbsten zu befreien.«
26
»Ausgezeichnet«,
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