Friesengold (German Edition)
zumindest einer der anderen aufgespießten Gesichter ihn gekannt haben musste, Hedyen einmal ausgenommen.
»Diese Aristokraten, die haben doch alle Geld«, begann er laut vor den Portraits zu denken, die zum Großteil aus dem Internet stammten. »Besser gesagt, sie scheinen alle Geld zu haben. Sie fahren Porsche, halten sich Reitpferde, tragen teure Klamotten, fliegen nach Berlin. Oder führen das mondäne Leben einer Privatière. Aber vielleicht lassen wir uns ja nur blenden.«
25
Das Pferd war eine Hannoveranerstute. Ein Fuchs. Dank einer pferdebegeisterten Cousine hatte Greven keine Mühe, die Rasse zu bestimmen. Den letzten Beweis würde das Brandzeichen liefern, ein von stilisierten Pferdeköpfen gekröntes H. Sogar die Lektion der Reiterin war ihm vertraut, eine Piaffe, eine Art Trab auf der Stelle. Soweit er es beurteilen konnte, wurde die Lektion sehr gut ausgeführt. Kauf und Ausbildung der Stute hatten sich gelohnt.
»Ein teures Dressurpferd«, erklärte er Häring, der neben ihm in einem der Tore der Reithalle stand, die zu den Nebengebäuden des Schlosses gehörte.
»Die Halle war bestimmt auch nicht billig«, meinte Häring, der den Blick auf die Decke richtete. »Was meinst du, wie alt sie ist?«
»Das weiß ich sogar. Zweiundvierzig Jahre. Sie ist das Küken der Familie von und zu Aldenhausen«, antwortete Greven und sah auf die Reiterin.
»Ich meinte die Halle.«
»Ach so. Die ist erheblich jünger. Sieht auch sehr modern aus. Sechs, sieben Jahre, tippe ich. Aber keine zehn.«
Die Reiterin beendete ihr Training, saß ab, streichelte das Pferd und führte es zum Tor. Sie war schlank und besaß, wie Greven dank der perfekt sitzenden, weißen Reiterhose feststellen konnte, eine ausgesprochen gute Figur. Ihre Gesichtszüge waren weich, ihr Blick signalisierte Selbstbewusstsein. Als sie bei den beiden Kommissaren eintraf, nahm sie ihren Reiterhelm ab, unter dem eine freche Kurzhaarfrisur zum Vorschein kam. Die natürliche Haarfarbe war nicht zu erkennen, denn der Friseur hatte verschiedene Rottöne zusammengestellt, die um die Gunst des Betrachters buhlten.
»Talea von und zu Aldenhausen. Herr Kommissar Greven, nehme ich an?«
»Hauptkommissar«, erwiderte Greven und nahm ihre Hand in die seine. »Und das ist mein Assistent Peter Häring.«
»Sie sagten am Telefon, meine Schwester Thalke habe etwas mit den Morden und Überfällen zu tun?«
»Aus diesem Grund sind wir hier«, erklärte Greven freundlich. »Ein paar Fragen in diesem Zusammenhang sind noch ungeklärt.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht ganz folgen«, entgegnete die Rothaarige, die ihre Stute einem Mädchen im Reiterdress übergab, das sie in die Stallungen führte. »Wie kann sie in Mordfälle verwickelt sein, die sich allesamt nach ihrem Tod ereignet haben?«
»In gewisser Weise ist dies schon möglich«, antwortete Greven betont höflich. »Der Täter hatte es offenbar auf das Erbe Ihrer Schwester abgesehen. Hat Ihnen das Ihr Bruder nicht schon erzählt?«
»Er hat es wohl versäumt«, erklärte sie kühl. »Aber soweit ich ihr Leben verfolgt habe, ist ihr Erbe kaum einen Taschendiebstahl wert gewesen.«
»Genau das ist das Rätsel, vor dem wir stehen«, meldete sich Häring zu Wort. »Der Täter muss davon überzeugt gewesen sein, dass zumindest ein Erbstück wertvoll genug ist, um einen Mord zu begehen. Oder einen Hinweis auf ein wertvolles Objekt enthält.«
Talea von und zu Aldenhausen verlangsamte ihre Schritte und blieb schließlich mit nachdenklicher Miene stehen.
»Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Thalke etwas besessen hat, das von Wert gewesen ist. Und sollte etwas in ihre Hände gelangt sein, hätte sie es noch am selben Tag zu Geld gemacht. Glauben Sie mir. Meine Schwester hatte nichts zu vererben. Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Wir würden gerne wissen, wie Sie Ihren Lebensunterhalt bestreiten«, sagte Greven.
»Warum möchten Sie das wissen?«, antwortete die adrette Reiterin in einem nicht mehr ganz so höflichen Ton.
»Reine Routine«, erklärte Häring. »Standardinformationen. Nur fürs Protokoll.«
»Ich führe dieses kleine Reitinstitut und erteile Reitunterricht. Genügt Ihnen das?«
»Selbstverständlich«, sagte Greven. »Und meinen Glückwunsch zu dieser nagelneuen Reithalle.«
»Zum einen ist sie nicht neu, sondern bereits fünf Jahre alt. Außerdem habe nicht ich sie finanziert, sondern mein Bruder
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