Friesengold (German Edition)
Folef. Das wollten Sie doch wissen, oder?«
Greven lächelte zufrieden, war aber noch nicht fertig und wich nicht von ihrer Seite, als sie ihren Weg in die Stallungen fortsetzte.
»Kannten Sie eigentlich Reinold Onken?«
»Den ermordeten Goldschmied? Ja, wobei ich das nicht ›kennen‹ nennen würde. Ich habe ein paarmal bei ihm Schmuck gekauft. Sehr schönen Schmuck übrigens. Der Mann war ein echter Künstler. Schade um ihn.«
Greven und Häring sahen sich verblüfft in die Augen. Das Hirn hatten sie sich zermartert, weil sie keinerlei Verbindung zwischen Onken und Schloss Aldenhausen hatten finden können. Dabei war es so einfach. Schon machte Greven den nächsten Schritt und fragte sich, ob ihm nicht ein schwerer Fehler unterlaufen war. Hätte er die adelige Dressurreiterin eher befragt, hätte er den Fall vielleicht schon gelöst. Andererseits war zu Beginn der Ermittlungen Talea von und zu Aldenhausen noch klar außerhalb seines Blickfeldes gewesen. Aus der spontanen und freimütigen Aussage schloss er indes, dass diese Frage der Gräfin weitaus weniger unangenehm war als jene nach ihrem Beruf.
»Was ist mit Ihnen? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Nein, nein, alles in bester Ordnung«, beruhigte sie Greven. Gleichzeitig drängte sich ihm eine weitere Frage auf: »War Onken rein zufällig einmal hier? Ich meine, hier im Schloss?«
»Lassen Sie mich nachdenken«, bat die Gräfin, präsentierte aber umgehend die Antwort: »Ja, er war tatsächlich einmal hier. Das muss vor dem Bau der Reithalle gewesen sein. Mir war ein Ohrring auf die Fliesen gefallen und dabei beschädigt worden. Er hat ihn repariert und dann vorbeigebracht. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, warum er hier persönlich erschienen ist, vielleicht aus Neugier. Jedenfalls stand er plötzlich im Stall vor mir und hat mir den Ohrring überreicht.«
»Wissen Sie noch, ob er sich hier länger aufgehalten hat?«, fragte Häring.
»Nein, er war gleich wieder verschwunden. Er hat mir nur die Box mit dem Ohrring ausgehändigt. Das war alles. Warum ist das so wichtig?«
»Es geht uns lediglich darum, ein Sozialprofil des Opfers zu erstellen«, erklärte Greven und hielt seine wahren Absichten zurück.
»Haben Sie noch weitere Fragen? Mein Freund erwartet mich.«
»Wir wüssten gerne …«, begann Häring, doch Greven fiel ihm ins Wort. Aus taktischen Gründen wollte er den Ball erst einmal flach halten. »Nein, Frau Gräfin, das war es auch schon. Haben Sie vielen Dank für Ihre Unterstützung.«
Talea reagierte auf die höflichen Worte mit einem Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung. »Gern geschehen. Wenn man der Polizei helfen kann. Schlimmstenfalls hätte ich meinen Anwalt bemüht. Darf ich bekannt machen: Dr. Carsten Friedeborger, mein Freund.«
Wie aus dem Nichts trat ein Mann in einem langen Kamelhaarmantel zu ihnen, der offenbar bereits in ihrer Nähe gewartet hatte. Wie Greven trug er einen Hut, aber auch ein Jackett und eine dunkelblaue Krawatte. Ein Mann mit Durchsetzungsvermögen, ein Anwalt, dessen geschickte Verteidigungsstrategien schon so manchen Staatsanwalt in Verlegenheit gebracht hatten. Nicht gerade ein Staranwalt, aber einer, der im Nordwesten des Landes einen gewissen Bekanntheitsgrad besaß. Wer ihn noch nicht erlebt hatte, lief Gefahr, ihn für einen verwöhnten Sohn aus der Upper Class zu halten, der eher selbst ab und zu einen Anwalt benötigte, als einer zu sein. Für dieses Vorurteil war vor allem sein weiches und zartes Gesicht verantwortlich. In Wahrheit aber hatte sich Friedeborger aus kleinsten Verhältnissen hochgearbeitet.
»Moin, Herr Greven, Herr Häring. Freut mich, Sie zu sehen. Ich hoffe, Sie lassen Talea hier bei mir?«
»Moin, Herr Dr. Friedeborger«, antwortete Greven und versuchte, hinter die Fassade seiner Freundlichkeit zu schauen. »Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, es geht nur um ein paar Lücken im Fall Onken. Der Goldschmied, Sie wissen schon.«
Friedeborger nickte interessiert.
»Daher suchen wir noch nach Zeugen, die ihn gekannt haben.«
»Und? Konntest du ihnen weiterhelfen, Liebling?«
»Nur in sehr bescheidenem Rahmen«, übernahm Greven die Antwort. »Daher sind wir auch schon wieder im Aufbruch.«
»Dann will ich Sie nicht aufhalten«, sagte der Anwalt und zog Talea von und zu Aldenhausen zu sich rüber, als wolle er demonstrieren, dass sie unter seinem Schutz stand.
Greven und Häring verabschiedeten sich und gingen
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