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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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hätte einen Mann wie Jan mit Sicherheit nicht als ihren Ex-Lover bezeichnet.
    »Mommelchen«, Torge lächelte ein unsicheres kleines Lächeln, »das ist ja fast zu gut, um wahr zu sein.«
    Dann fiel er mir um den Hals, und ich hielt ihn fest und wun derte mich. So einfach war das? Ein winziges Detail, und schon war für ihn alles wieder in Ordnung? Ich wartete darauf, dass er etwas sagen würde, dass er mich nun doch auffordern würde, mit ihm zu kommen.
    Die Bremslichter des hinteren Wagens leuchteten auf, dann rollte er langsam auf die Rampe zu. Der Fährangestellte in der Leuchtweste blickte sich suchend um und erspähte schließlich Torge und mich. Mit einer großen Taschenlampe kam er auf uns zu.
    »Sag mal, und das meinst du wirklich ernst?«, fragte ich schnell. »Du willst, dass Ann bei uns einzieht? So eine Art WG-Harem mit Halbgeschwistern?«
    Torge drückte noch fester zu, bis mir fast der Atem wegblieb.
    »Darum geht es doch in einer Familie. Bedürfnisausgleich. Wenn du eine bessere Idee hast, nur heraus damit. Ich hab bisher keine«, sagte er.
    Es fiel es mir schwer zu antworten. Das lag zum Teil an seinem Klammergriff, aber auch zum Teil an dem, was er sagte. Ja, das war mein Mann, wie er leibte und lebte. Kein Typ, der Frauen auf öffentlichen Toiletten flachlegte, weder in Flugzeugen noch auf Nordseefähren. So vernünftig. So verantwortungsvoll. Genau deshalb hatte ich ihn geheiratet. Genau das war unser Problem.
    Irgendetwas lag mir noch auf der Zunge, etwas Wichtiges, ja, etwas Lebensentscheidendes. Aber ich kam einfach nicht darauf, was es war. Ein Gedanke, verborgen unter Meer und Sand, so wie die Tonscherben versunkener Städte, so wie der Schatz, den die Frau mit dem roten Rock bewachte. Erst als Torge bereits auf der schwankenden Rampe stand, sich noch einmal grüßend umdrehte und sich dabei in den Schlaufen seiner Mini-Reisetasche verhedderte, fiel es mir im letzten Moment wieder ein.
    Und es hatte nichts mit den Steuerunterlagen zu tun.
    »Was ist jetzt eigentlich mit Ronja?«, schrie ich an gegen das Quietschen rostigen Metalls und das Dröhnen des Schiffsmotors.
    Torge hielt die Hände vor den Mund und formte einen Trichter. Dann rief er: »Und ich dachte schon, du fragst nie!«

27
    »Und wenn wir sie bitten, dass sie uns einen Freundschaftspreis macht?«
    »Macht sie nicht. Die ist doch Geschäftsfrau.«
    »Ist sie nicht. Sie ist Künstlerin. Das ist was ganz anderes.«
    »Min Seutn, glaub mir. Auch Künstler müssen kalkulieren.«
    »Aber anders als andere.«
    Geli Schatz schob mit einer energischen Bewegung ihr Glas alkoholfreies Pils von sich weg und musterte ihren Mann herausfordernd über die Platte des erhöhten Bar-Tisches hinweg. In der Mitte der Tische in der Pesel-Bar standen seit gestern kleine Tannengedecke, in der Mitte zwei Tonfigürchen Rücken an Rücken, ein Buddha und ein Weihnachtsmann. Offensichtlich hatte Lisi Schleibinger einen Kompromiss mit ihrer Belegschaft ausgehandelt, was die angemessene Adventsdeko für ein Wellnesshotel war, das sich »Ananda« nannte und bis vor ein paar Monaten noch »Pension Krabbenkutter« geheißen hatte.
    Die Uhr über dem Tresen zeigte zwei Minuten vor acht. Wahrscheinlich würde Ann wieder mit einer Viertelstunde Verspätung zu ihrem Auftritt auftauchen, schließlich war sie Künstlerin. »Der krönende Abschluss unserer gemeinsamen Zeit«, so hatte Lisi Schlei binger beim Frühstück geraunt. Ich hatte Ann heute den ganzen Tag noch nicht gesehen, und das war mir nur recht.
    Natürlich hätte ich auch diesen Abschiedsabend schwänzen können, denn ich konnte mir derzeit Angenehmeres vorstellen, als erotischer Lyrik aus dem Mund meiner Teilzeitrivalin zu lauschen. Wer weiß, zu welchen Muttermundversen die Nacht mit Torge sie inspiriert hatte! Seit ich wusste, dass sie mit ihm im Bett gewesen war, berührten mich ihre Gedichte noch unangenehmer als zuvor.
    Aber es gab nicht allzu viele Alternativen. Alleine in meinem schlauchartigen Einzelzimmer hätte ich es nie und nimmer den ganzen Abend ausgehalten, und der einzige Hinweis im örtlichen Veranstaltungsprogramm passte auch nicht zu meiner Stimmung. Das Kursaal-Kino zeigte ein Double Feature mit Ehedramen einst und jetzt, in Szene gesetzt von skandinavischen Filmemachern.
    Ich fuhr mit zwei Fingern unauffällig in den Ausschnitt meines T-Shirts und wischte ein paar Sandkrümel weg. Nach der letzten Verjüngungsmassage heute Nachmittag hatte Ose den Gewürzschlamm offensichtlich

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