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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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hast nicht nur einen Lover, nein: Du hast sogar einen Ex-Lover.«
    Eben, wollte ich sagen. Ich habe einen Ex-Lover. Mit Beto nung auf Ex. Stattdessen versuchte ich noch einmal die Flucht auf vertrautes Terrain. Himmel, so schnell konnten sie einen doch nicht ausweisen aus diesem Maike-Torge-Land, das so viele Jahre ein Hort der Stabilität gewesen war, weder von Naturkatastrophen noch von Wahlfälschungen heimgesucht worden war, nicht von Terrorismus und nicht von Wirtschaftskrisen. An wen musste man sich hier wenden, wenn man dringend einen Rettungsschirm benötigte?
    Ich knipste mein fröhlichstes Lächeln an.
    »Übrigens, es gibt da unten kurz vor dem Hafen noch so eine kleine Fußgängerzone, da haben sie in einem Backshop auch Kaffee mit Sojamilch. Falls du dir einen mitnehmen möchtest. Die Plörre auf der Fähre bekommt deinem Magen bestimmt nicht.«
    »Sag mal, wie lange hat das eigentlich gedauert mit uns?«
    »Wie meinst du das, es hat gedauert?«
    Ich warf Torge einen alarmierten Seitenblick zu. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, die noch tiefer wurden, wenn wir unter einer der ostblockartigen Bogenlampen durchliefen, die den Weg zum Fähranleger säumten. Mein Mann sah aus wie ein Polarforscher, der fünf Kilometer vor dem Ziel erfuhr, dass bereits ein Rivale sein Fähnchen ins Eis gesteckt hatte. Ein Held auf einer gescheiterten Mission. Die Tasche über seiner Schulter war lächerlich klein.
    Wie wenig Männer doch brauchten.
    »Fünf Wochen!«, flüsterte Torge eindringlich. »Fünf Wochen, bis du dich von mir hast anfassen lassen. Das waren die schrecklichsten und die schönsten Wochen meines Lebens. Und da habe ich noch nicht mal die Wochen mitgerechnet, in denen ich jeden Mittag versucht habe, in der Mensaschlange zufällig genau hinter dir zu stehen.«
    »Das hast du versucht?«, fragte ich verblüfft.
    »Ich hab es selten geschafft«, sagte Torge erinnerungsschwer. »Ich weiß noch genau den Tag, an dem ich mich endlich genau zur richtigen Zeit in die Schlange eingefädelt hatte. Ich hatte das alles so genau ausgetüftelt, wie ich dich dann zufällig überholen und dich an einen Tisch im Eck lotsen würde, möglichst nah am Kaf feeautomaten. Weil ich dachte, dass ich dich dann nach dem Essen noch zu einem Cappuccino überreden könnte.«
    »Und, warum hast du nicht?«
    Torge strich sich die dicken Haare zurück und seufzte. Die Haare wippten sofort zurück und stellten sich wieder auf. Aus der Ferne konnte ich eine Schiffssirene hören. Das musste die Fähre vom Festland sein, die eben angelegt hatte.
    »Es gab Kässpätzle«, sagte er dann. Selten hatte ich ihn ein Wort mit so viel Verachtung aussprechen hören wie dieses. Oder halt, nein: Das Wort »Ex-Lover« vor einigen Minuten, das hatte er mit einem ähnlichen Ekel in der Stimme vor meine Füße gespuckt.
    Er sah mich von der Seite an, lauernd und erwartungsvoll, als müsste ich auf das Stichwort reagieren. Dann half er nach. »Erinnerst du dich nicht an das Kässpätzle-Rezept in der Mensa? Spätzle aus der Tüte, drauf eine Kelle brauner Bratensoße, verziert mit kaltem Reibekäse.«
    »Mir läuft das Wasser im Munde zusammen.« Das war nicht einmal völlig ironisch gemeint. Nach meiner seltsamen Diät aus ayurvedischer Bohnensuppe und sündiger Sahnetorte klang jedes halbwegs normale Essen für mich nach kulinarischer Erfüllung.
    »Eben«, seufzte Torge. »Du hast angewidert auf deinen Teller geschaut, dann hast du das Tablett einfach wortlos stehen lassen und bist gegangen. So schnell, dass ich nicht mal über eine schlagfertige Bemerkung nachdenken konnte. Dafür war ich umso beeindruckter. Ich dachte, die Frau weiß ganz genau, was sie will.«
    »Was ist jetzt mit dem Kaffee?«
    »Wieso Kaffee? Du hast ja nicht mal die Hauptmahlzeit genommen.«
    »Nein. Ich meine für dich. Cappu laktosefrei.«
    Torge schüttelte finster den Kopf.
    »Nein. Zu spät.«
    »Aber die Fähre legt erst in fünfzehn Minuten ab!«
    »Du hast mich schon verstanden.«
    Hatte ich das?
    »Torge?« Ich legte eine Hand auf seinen Arm. Er ging einfach weiter, schüttelte sie nicht ab, tat eher so, als würde er meine Berührung überhaupt nicht merken. Und das war noch schlimmer als alles, was in den letzten Stunden zwischen uns gesagt worden war.
    Seit Anns Enthüllung hatte ich eine ganze Menge von Gefühlen durchlebt. Wut und Rachedurst, Lust und Enttäuschung, Scham und Überlegenheit, Nähebedürfnis und Freiheitsdrang. Angst war nicht darunter

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