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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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nickte beklommen.
    »Außerdem habe ich keine Ahnung, ob ich überhaupt jeden Tag mit Torge zusammen sein möchte. Ich mag deinen Mann, Maike. Aber ich kenne ihn viel zu wenig. Und er liebt dich. Das war ja nicht zu übersehen.«
    »Wieso war das nicht zu übersehen? Schließlich hat er erst mit dir geschlafen und dir dann so eine Art WG angeboten.«
    Wieder schüttelte sie den Kopf, diesmal energischer. »Nicht mir. Um mich geht es da gar nicht. Nur um dieses Baby, das noch nicht mal ein Baby ist. Aber du, du bist ihm wichtig.«
    »Und wie«, sagte ich mit einem Anflug von Bitterkeit. »So sehr, dass er niemals auf die Idee käme, mich zu betrügen.«
    »Das Pflaster«, sagte sie und blickte mich ausdruckslos an. »Als er das ausgepackt hatte, war mir alles klar. Dass ich sowieso keinen Platz haben würde in seinem Leben, selbst wenn ich das wollte.« Sie seufzte. »Mir hat noch nie ein Mann ein Pflaster mitgebracht auf Reisen.«
    Auf einmal wirkte sie sehr klein, wie sie dort am Fenster stand. Wie ein Kind, das im Ferienlager das Zimmer mit anderen Kindern teilen sollte, von denen es nicht eines kannte. In mir kämpften widerstreitende Gefühle. Ich wollte sie in den Arm nehmen und ihr eine Ohrfeige verpassen oder umgekehrt. Ich wollte sie beschimpfen und trösten. Sie war die schlimmste Widersacherin, die ich jemals gehabt hatte, und zugleich hatte auch sie mir in den letzten Tagen ein lang vergessenes Gefühl wiedergegeben. Wie es war, eine beste Freundin zu haben.
    Sie lächelte traurig. »Passt auf euch auf. Seid gut zueinander. Und zu eurer Tochter.«
    Dann kam sie auf mich zu, berührte mich flüchtig an der Wange, als wollte sie mich segnen. Und schon war sie fort. Verdattert sah ich mich um. In diesem Zimmer erinnerte nichts mehr daran, dass sie jemals da gewesen war. Nur ein einziges dunkelblondes Haar ringelte sich auf dem Kissen, das auf der Tagesdecke lag, mit einem ordentlichen Knick in der Mitte.
    Ich setzte mich auf das Bett und starrte an die Wand. Dort, wo Anns Bild gehangen hatte, war jetzt wieder ein Ölgemälde von Schafen auf dem Deich unter einem verhangenen Himmel mit langgezogenen Wolken zu sehen.
    Das Leben konnte weitergehen. Und es würde weitergehen.
    Das Leben, wie ich es kannte und mochte. Mit Tandem-Touren und Wochenendausflügen in das nette Lokal an der alten Schleuse, mit dem Geräusch der Kaffeemaschine am Morgen und einem vertrauten, behaarten Bein, das sich im Halbschlaf von hinten um mich schlang. Kein aufregendes Leben, keines, um dessen Film rechte sich Hollywoodproduzenten gerissen hätten. Aber mein Leben. Meins und Torges.
    Ich atmete vorsichtig aus und ein, als könnte die Luft in meinem Körper jederzeit auf ein Hindernis stoßen, und wartete auf die Erleichterung. Ann, so unreif sie schien, hatte die einzig erwachsene Entscheidung getroffen. Keiner von uns musste sie jemals wiedersehen. Torge und ich, nun, wir würden ein bisschen Zeit brauchen. Aber die hatten wir ja. Und Ronja würde nie erfahren, dass sie um ein Haar einen kleinen Bruder bekommen hätte. Oder eine kleine Schwester.
    Gestern Abend hatte Torge mich noch einmal angerufen, als er in Hamburg angekommen war, und ausführlich erzählt. Ronja war in den Tagen seit unserem letzten Telefongespräch so vernünftig gewesen, dass es beinahe unheimlich war. Hatte viel Zeit in ihrem Zimmer verbracht, um über die Ferien etwas Stoff nachzuholen, wie sie sagte. Von dem Fotoshooting war keine Rede mehr. Erstaunlicherweise auch von ihrem Freund nicht mehr, aber Torge hatte nicht zu neugierig sein wollen.
    Na siehst du, hatte er gesagt. Manche Probleme lösen sich von selbst. Einfach aussitzen. Typisch, hatte ich gesagt. Auf so eine Idee konnten auch nur Menschen kommen, die in der Kohl-Ära jung gewesen waren.
    Mein klingelndes Handy riss mich aus meinen Gedanken. »Zu Hause«, stand auf dem Display. Ich überlegte einen Moment. Wie würde Torge reagieren, wenn ich ihm sagte, dass Ann fort war? Ann, und damit seine ganzen Hippiekommunen-Pläne? Ann, und damit dieses Zufallskind, das Torge schon so rührend eingeplant hatte in sein Leben? Dass es das alles nicht noch einmal geben würde, win zige Windeln, deren Inhalt nach Butterkeksen roch, Pastinakengläs chen und zahnloses Lächeln, schief geknöpfte Bodys und Mütterwettbewerbe, die sich um die Frage drehten, wessen Baby sich als erstes selbstständig vom Rücken auf den Bauch drehen konnte.
    Vielleicht sollte ich es ihm besser in Ruhe beibringen, wenn ich wieder zu

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