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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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Ronja. Und, nicht zuletzt: meine Verbin dung zu Jan. Dieser Nummer, die wir auf dem Deichparkplatz noch getauscht hatten, ehe er sich auf sein Fahrrad geschwungen hatte. Denn wie mir erst jetzt siedend heiß einfiel: Es stand keine weitere Wattwanderung auf unserem Programm. Und damit auch keine weitere Möglichkeit, Jan zwangsläufig zu treffen.
    Gut, die Insel war winzig, und er wusste, wo er mich finden konnte – aber er war auch am Zug. Ich hatte eine letzte Hoffnung: Vielleicht hatte ich das Handy einfach auf meinem Nachttisch liegen lassen. Jedenfalls konnte ich mich nicht erinnern, dass ich es eingesteckt hatte.
    Auf der Treppe nach oben nahm ich zwei Stufen auf einmal, stieß mit dem großen Zeh an die Messingleiste, mit der der abge tretene dunkelblaue Läufer festgemacht war, und humpelte fluchend weiter. Vor unserer Zimmertür hatte ich den Schlüssel bereits in der Hand, da hörte ich von drinnen Anns Stimme. Ich konnte ihre Worte nicht verstehen, aber es klang sehr ernst und dunkel. Ohne anzuklopfen, stürmte ich hinein.
    Ann saß in dem Rattansessel mit den maritim gestreiften Kissen, zusammengekauert wie ein kleines Mädchen, und trug schon wieder eine meiner Trainingshosen. Ans Ohr hielt sie sich ein Telefon. Als sie mich sah, unterbrach sie sich und hielt es ein Stück weg von ihrem Ohr, so, als wäre es ihr unangenehm, dass ich sie damit erwischt hatte. Die Ringe unter ihren Augen waren blau schwarz. Instinktiv war mir klar, dass dies ein bedeutender Moment war, dass gleich etwas Unerhörtes geschehen würde. Aber was ich dachte, war nur: Sie sieht einfach nicht aus wie vierzig. Nicht einmal mit diesen Augenringen.
    Dann schaute ich mir das Handy in ihren Fingern genauer an. Und war hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Ärger. Das war doch meins! Wie kam sie dazu, sich mein Handy zu nehmen? Hatte die kein eigenes? Ich ging einen Schritt auf sie zu und deutete auf das Gerät.
    »Das ist mein Telefon«, sagte ich und wollte danach greifen. Sie wich meiner Hand aus und hielt das Handy über dem Kopf.
    »Was denkst du dir eigentlich!«, sagte ich. »Nimmst du jetzt meine Anrufe an?«
    Sie kniff plötzlich Mund und Augen zusammen, machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, dann sah sie mich an und nickte entschlossen.
    »Ja, das ist dein Telefon«, sagte sie zögernd. »Und das ist dein Mann.«
    Während sie das Handy sinken ließ, konnte ich aus dem Lautsprecher eine vertraute Stimme hören. Torges Worte waren nicht zu verstehen, aber er klang jetzt sehr aufgeregt. Ann sah mich abwartend an, lauernd, aber ich verstand nicht, was sie von mir erwartete.
    »Wieso gehst du an mein Telefon?«, fragte ich noch einmal. Ann blickte mich weiter wortlos an. Allmählich hatte ich das deutliche Gefühl, dass sie etwas wusste, was ich nicht wusste, aber dringend wissen sollte. Torge hatte auch schon so komisch herumgedruckst bei unserem letzten Gespräch. Was passierte da hinter meinem Rücken?
    »Er hat gar nicht angerufen«, sagte sie dann, »ich habe ihn angerufen. War nicht schwer. Das Handy lag auf deinem Nachttisch, und ich hatte mir schon gedacht, dass du ihn nicht unter seinem Nachnamen abgespeichert hast.«
    Ich dachte an die Worte auf meinem Display: »Zu Hause«. Dabei hatte ich das schreckliche Gefühl, dass plötzlich etwas unter mir ins Rutschen kam. So, als stände ich auf einer festen Mauer, die sich plötzlich als loser Steinhaufen entpuppte. Aber was es war, das da ins Rutschen kam, verstand ich noch immer nicht. Ann sah mich an und blinzelte heftig.
    »Was hast denn du mit Torge zu besprechen?«, fragte ich, noch immer gleichzeitig erleichtert, verwirrt und verärgert.
    »Etwas Dringendes«, sagte sie ernst. »Etwas Dringendes, das ich eigentlich längst mit dir hätte besprechen wollen.«
    »Aber du kennst Torge doch gar nicht!«, rief ich. Die Steine unter meinen Füßen wankten bedrohlich.
    Sie holte tief Luft. »Doch«, sagte sie dann. »Nicht gut. Aber doch gut genug.«
    »Woher denn?«, fragte ich und hatte noch immer das Gefühl abzustürzen, ohne zu wissen, warum.
    »Eine Vernissage im Schanzenviertel«, sagte sie und seufzte. »Dort, wo sich Menschen begegnen, die sonst nicht das kleinste bisschen miteinander zu tun haben. Vor ein paar Wochen.« Dabei legte sie die Hand auf ihren Bauch.
    Und auf einmal, als würde ein Blitz eine dunkle Landschaft taghell machen, war alles klar.
    War klar, warum ihr beim Anblick meiner Familienfotos so schlecht geworden

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