Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
alles, was ihm geboten wurde. Auch ein Stück Apfel vom Vortag. Während Peer beobachtete, wie das Tier genüsslich sein Frühstück vertilgte, wanderten seine Gedanken zu dem Toten aus dem Volkspark. Außer dem Namen hatten sie bisher keinen Ansatzpunkt. Und Dr. Choui hatte ihn gestern vertröstet. Er hatte etwas entdeckt, brauchte aber die Ergebnisse aus dem Labor. Worauf der Rechtsmediziner wohl gestoßen war? Handelte es sich vielleicht doch nicht um einen profanen Raubmord? Davon ging jedenfalls die Witwe aus, denn Feinde hatte ihr Mann angeblich keine gehabt. Für sie war irgendein krimineller Totschläger aus Hamburg, die ihrer Meinung nach massenhaft hier rumliefen, der Mörder ihres Mannes. Wobei man diese Möglichkeit durchaus in Betracht ziehen musste, denn die Wertsachen des Opfers waren verschwunden und der Schlag auf den Kopf zeugte auch eher von einer unüberlegten Tat. War der Mann tatsächlich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Aber was hatte Heinrich Matzen überhaupt im Volkspark gewollt? Warum war er nicht wie die anderen Rentner auf dem Ausflugsschiff gewesen? Nielsen fuhr sich mit der Hand über das unrasierte Kinn. Also, wenn einer eine Ahnung hatte, dann die Witwe. Oder hatte das Opfer sich einem anderen Mitreisenden anvertraut? Ob der Niebüller Kollege schon etwas herausgefunden hatte? Immerhin hatte Dirk Thamsen sehr kompetent und erfahren gewirkt. Den ließ der Fall unter Garantie auch nicht in Ruhe. Obwohl heute Sonntag war. Er ging in den Flur und angelte aus seiner Jackentasche die Visitenkarte des anderen Kommissars. Kurz zögerte er, dann aber griff er zum Telefonhörer und wählte die angegebene Nummer. Egal, ob Wochenende war. Morgen früh war die nächste Besprechung und er wollte auf keinen Fall mit leeren Händen dastehen.
»Ja, hier Peer Nielsen«, meldete er sich, als Thamsen den Anruf annahm. »Ich wollte kurz hören, ob Sie gestern wieder gut nach Hause gekommen sind.« Wenngleich das nicht der eigentliche Grund seines Anrufs war, wusste er, dass es besser war, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Doch Thamsen ging auf die freundliche Nachfrage nicht ein. Er war es nicht gewohnt, Zeit mit Smalltalk zu verschwenden.
»Gut, dass Sie anrufen. Heute Nachmittag ist ein Treffen der Senioren und ich habe gedacht, vielleicht möchten Sie dazukommen?« Nielsen sah auf seine Uhr und musste dann an die Staus denken. Das würde eng werden. »Am besten Sie nehmen den Zug. Ich kann Sie in Niebüll aufsammeln.«
»Okay!«
Kaum eine halbe Stunde später stieg Nielsen in Altona aus der S-Bahn und sprintete die Treppen zur Fernbahn hinauf. Der nächste Zug ging in zwei Minuten, wenn er den verpasste, musste er eine Stunde warten und würde dann zu spät zum Seniorentreffen kommen. Die Gleise endeten in Altona in einem Kopfbahnhof. Auf Gleis 8 wartete der Zug nach Westerland. Peer Nielsen schwang sich in den letzten Wagen und atmete erleichtert aus. Nur wenige Sekunden darauf schlossen sich die Türen, ein Pfiff gellte über den Bahnsteig und der Zug setzte sich Richtung Sylt in Bewegung. Nielsen drängelte sich durch die Horden von Touristen und Ausflüglern. Mit riesigen Koffern und Rucksäcken beladen, blockierten sie die Gänge und machten ein Durchkommen kaum möglich. Freie Plätze gab es so gut wie keine mehr. Nur in der 1. Klasse fand Nielsen ein Abteil, wo er sich setzen konnte. Er musste ohnehin eine Fahrkarte nachlösen, da er sich in der Eile am Bahnhof keine hatte mehr kaufen können. Und auf ein paar Euro, die der Klassenunterschied ausmachte, kam es bei ihm nicht an. Lieber zahlte er mehr, als zwischen all den schwitzenden Leuten dicht an dicht im Gang bis nach Niebüll zu stehen. Er lehnte sich zurück und blickte hinaus durch das Fenster, hinter dem die Landschaft vorüberflog. Stellingen und Elbgaustraße, bis die Umgebung langsam weiter wurde und sie schließlich die Elbmarsch durchquerten. Hier in Glückstadt hinter dem Deich war Peer Nielsen geboren und aufgewachsen. Doch er kam nur selten hierher. Seine Eltern hatten sich getrennt, als Peer 13 war. Sein Vater war damals schon weggezogen und seine Mutter wohnte seit gut zehn Jahren in Elmshorn bei ihrem neuen Partner. Freunde von damals hatte er keine mehr und wenn, dann wohnten auch sie nicht mehr in diesem kleinen Nest. Es gab also keinen Grund für ihn, nach Glückstadt zu fahren. Außerdem fühlte er sich in Hamburg sauwohl, sah sich als Einheimischen und nicht als Quiddje, wie Neu-Hamburger und
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