Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
ging es ihr denn vorher schlecht?« Thamsen blickte die ehemalige Nachbarin fragend an.
»Na, leicht hat die es nicht gehabt. Und sicherlich steht die Manuela schon auf der Matte und will ihren Erbteil haben.«
»Die Tochter?« Auf Thamsen hatte die Frau nicht den Eindruck einer raffgierigen Erbin gemacht, doch Lina Umbrecht nickte fleißig.
»Mama, wir müssen das nun entscheiden.« Manuela Groß fasste ihre Mutter leicht am Arm. Sie saßen am großen Esszimmertisch und wühlten sich durch den Papierkram. Bereits am gestrigen Abend war der Bestatter gekommen und hatte ihnen ein Angebot gemacht. Zwar war Heinrich Matzens Leiche noch nicht freigegeben, aber es war klar, dass zu den üblichen Kosten einer Beerdigung die Überführung von Hamburg nach Dagebüll kommen würde. Der Voranschlag hatte es daher auch in sich. Erika Matzen wusste nicht, wie sie das bezahlen sollte.
»Du musst verkaufen, dir bleibt nichts anderes übrig«, mischte sich nun der Schwiegersohn ein.
»Ich kann das nicht«, flüsterte Erika Matzen und starrte weiter auf das Angebot des Bestattungsunternehmens. Sie konnte gar nicht glauben, dass Heinrich tot war, obwohl sie es mit eigenen Augen gesehen hatte. Aber alles um sie herum erschien ihr wie im Traum. Die Bilder waren verschwommen, die Stimmen um sie herum weit weg. Manuela Groß stand auf und ging in die Küche. In der Spüle stand das Geschirr vom Frühstück und sie machte sich daran, es abzuspülen. Die letzten Tage waren auch für sie sehr aufwühlend gewesen und sie wusste nicht so recht, mit der Situation umzugehen. Von einem Tag auf den anderen war ihr Vater aus ihrem Leben verschwunden. Gut, er war früher, als sie ein Kind war, auch oft wochenlang weg gewesen, doch damals war er immer wieder nach Hause gekommen. Von seinen Reisen hatte er ihr kleine Geschenke mitgebracht. Einige von ihnen besaß sie heute noch. Zum Beispiel die kleine Negerpuppe mit den Locken. Als kleines Mädchen hatte sie diese besonders geliebt und hatte sich im Erwachsenenalter nicht von ihr trennen können. Nun jedoch war alles anders. Jetzt war er tot und würde niemals wieder dieses Haus betreten. Die Vorstellung daran ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Mit der nassen Spülhand fuhr sie sich über das Gesicht.
»Du musst sie dazu bringen zu verkaufen.« Jost war hinter sie getreten und fasste sie an den Schultern. Sie seufzte leise.
»Aber wie denn? Das hier ist ihr Zuhause. Ich kann sie doch hier nicht rausreißen.« Sie drehte sich zu ihrem Mann um und blickte ihn an.
»Warum denn nicht? Ein Teil des Hauses gehört nun auch dir.«
»Ich weiß.« Trotzdem fiel es Manuela schwer, ihre Mutter unter Druck zu setzen. »Wo soll sie denn hin?«
»Was weiß ich, aber das Haus muss verkauft werden.« Im Grunde genommen hatte Jost recht und sie wusste das. Sie hatte zwischen den Unterlagen bisher keine weiteren Hinweise auf Sparguthaben oder Versicherungen gefunden, die man nutzen konnte, um die anstehenden Kosten zu bezahlen. Obwohl es Manuela unerklärlich war, dass außer dem Eigentum kein Vermögen da war. Ihr Vater hatte immer gut verdient. Jedenfalls war sie davon ausgegangen. Und besonders verschwenderisch lebten ihre Eltern nicht. Gut, das Haus war top in Schuss, und vor Kurzem hatten sie Geld in eine neue Sofagarnitur investiert, aber aus Kunstleder, nichts Exklusives. Und einen Urlaub hatten sie sich seit Jahren nicht gegönnt. Nur die Fahrten mit der Seniorengruppe – und die kosteten nicht die Welt. Wo also war das Geld geblieben?
»Sag mal Mama, sind das wirklich alle Unterlagen von der Bank?«, fragte sie daher, als sie zurück ins Wohnzimmer ging.
»Und können Sie sich vorstellen, was Heinrich Matzen im Volkspark gewollt hat?« Die beiden Kommissare saßen nach wie vor mit Lina Umbrecht im Büro des Gemeindehauses der Dagebüller Kirche und befragten sie zu dem Verschwinden des Mitreisenden. »Warum hat er sich überhaupt weggeschlichen, denn Bescheid gesagt hat er keinem, oder?« Die Seniorin schüttelte den Kopf.
»Aber wissen Sie, das war eh ein echter Windhund. Wer weiß, vielleicht wollte er mal wieder sein eigenes Ding machen. Wahrscheinlich hat er sich dabei verlaufen, oder kannte er sich in Hamburg aus?« Die Frage war eher an sie selbst gerichtet, denn kurz darauf zuckte Lina Umbrecht mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Das ist ’ne Frage, mit der wir uns auf jeden Fall beschäftigen müssen«, stellte Peer Nielsen fest, nachdem die ehemalige Nachbarin das
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