Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
trog. Er ging schon jetzt davon aus, dass Erika Matzen nicht eines natürlichen Todes gestorben war. Wenngleich er noch keine erste Einschätzung von Dr. Becker hatte. Aber an derartige Zufälle glaubte er nicht. Erst stirbt Heinrich Matzen, dann stirbt Erika Matzen. Zumal Heinrich Matzen nicht einfach so gestorben war, sondern hinterhältig ermordet worden war. Mit Insulin. Thamsen hatte den Rechtsmediziner gleich beim Eintreffen über diesen Umstand informiert. »Das können wir nur im Labor untersuchen, aber der friedliche Gesichtsausdruck könnte darauf hinweisen, dass auch die Witwe an einer Überdosis Insulin gestorben ist.« Wer tat so etwas? Der Bauunternehmer war nach wie vor sehr verdächtig. Harry Leibnitz hatte ein sehr großes Interesse an dem Haus und durch den Tod des Eigentümers enorme Vorteile. Warum aber sollte er auch Erika Matzen umgebracht haben? Sie wollte doch, soweit er wusste, das Haus verkaufen. Jedenfalls hatte das die Tochter behauptet und auch ein Wörtchen mitzureden. Oder hatte Manuela Groß etwas mit dem Tod der Eltern zu tun? Sie stand wegen des Hotels und der damit verbundenen Schulden enorm unter Druck. Auch ihr kam der Hausverkauf mehr als gelegen. Außerdem war ein Mord mit Insulin eine Methode, die der Handschrift einer Frau entsprach. Mörderinnen überraschten nicht selten durch eine gewisse Raffinesse. Allein dadurch kam ihnen eine größere Aufmerksamkeit zuteil als den männlichen Tätern. Er erinnerte sich an einen Fall aus den 80er Jahren, der in den Medien damals großes Interesse genoss. Das Blaubeer-Mariechen hatte Anfang der 60er Jahre ihren Vater mit vergiftetem Blaubeer-Pudding umgebracht und später auch auf diese Weise zwei Ehemänner und einen Lebensgefährten ins Jenseits befördert. Giftmord war eine der häufigsten Tötungsmethoden von Frauen. Bis auf den Schlag auf den Kopf von Heinrich Matzen. Das war für ihn eine eher weniger weibliche Art zu töten. Vielleicht hatte er deswegen die Tochter nicht nach ihrem Alibi befragt. Ganz in Gedanken merkte er nicht, wie Dr. Becker plötzlich an seine Seite trat, und zuckte daher zusammen, als der Mediziner neben ihm seufzte.
»Wie herrlich!«
Thamsen nickte. Der Moment war so friedlich, er wollte nichts über die Tote wissen – jedenfalls nicht in dieser Minute. Dr. Becker schien das zu spüren und schwieg. Allerdings nur kurz, dann räusperte er sich: »Du hast wahrscheinlich recht. Sieht ganz so aus, als wäre die Frau ebenfalls an einer Hypoglykämie gestorben.«
»Wann?«
»Das kann ich nicht genau sagen, aber ich habe Einstichwunden am Oberschenkel gefunden. Weiteres müssen die Tests und die Sektion ergeben.«
»Gut, dann mache ich mich auf zur Tochter«, stöhnte Thamsen und drehte sich zeitgleich mit Dr. Becker um. Vom Deich aus sahen sie das Haus mit den Blumenkästen vor den Fenstern im Sonnenlicht daliegen. Die Idylle wurde jedoch von dem Einsatzwagen der Polizei und einem Leichenwagen gestört, in den zwei Männer in dunklen Anzügen einen metallenen Sarg schoben. Er verabschiedete sich von Dr. Becker und ging über die Baustelle zurück zum Container, wo sein Auto stand. Der Wagen des Bauunternehmers allerdings war verschwunden. Thamsen setzte sich hinters Steuer und startete den Motor. Von unterwegs rief er Peer Nielsen an, erreichte allerdings nur die Mailbox.
»Ja, ich bin’s Dirk. Ruf mich bitte umgehend zurück. Erika Matzen ist tot!« Er legte auf und überlegte, ob er es bei Dörte versuchen sollte. Sie hatte sich noch nicht gemeldet. Das passte überhaupt nicht zu ihr. Irgendetwas stimmte nicht. Er hatte jedoch keine Ahnung, was sie verärgert haben könnte, und beschloss daher, dass es vermutlich besser war, sie erst einmal in Ruhe zu lassen. Sie würde schon irgendwann damit rausrücken.
»Mann, das dauert aber lange«, maulte Tom. Manuela Groß hatte ihnen zwar relativ zügig die Getränke gebracht, sich anschließend aber nicht mehr blicken lassen. »Vielleicht ist das der Grund, warum es so leer ist?« Er grinste. Haie genoss es, den Freund aus seinem Schneckenhaus herauskommen zu sehen. So hatte er Tom schon lange nicht mehr erlebt. »Ob die die Pute erst schlachten?« Haie schmunzelte, obwohl er die Wartezeit ebenfalls als zu lang empfand. Schließlich musste er wieder zur Arbeit.
»Ich gehe mal eben aufs Klo und schaue, ob ich Manuela irgendwo sehe«, beschloss er daher und stand auf. Durch die gläserne Verandatür ging er zurück ins Restaurant und suchte nach dem
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