Friesenluege - Ein Nordfriesland Krimi
er sich nicht mehr traute Auto zu fahren. Einen Führerschein besaß er, aber es war Jahre her, seit er das letzte Mal hinter einem Steuer gesessen hatte. Schon der Gedanke daran, einen Wagen zu lenken, verursachte Beklemmungen bei ihm. Daher blieb er lieber bei seinem Fahrrad. Darin war er geübt, außerdem tat ihm die Bewegung gut. Er stieg wieder auf. Kurze Zeit später hörte er ein Motorengeräusch und fuhr daher dicht am Rand, damit der Wagen ihn überholen konnte. Die Straße war schmal und nicht für Gegenverkehr oder Überholmanöver ausgelegt. Die Wege durch den Koog waren hauptsächlich für die Anwohner und nicht für den Durchgangsverkehr. Doch der Fahrer schien die Lage falsch einzuschätzen. Statt sein Tempo zu drosseln, fuhr er mit überhöhter Geschwindigkeit an Haie vorbei und zwar so dicht, das Haie vor Schreck einen Schlenker machte und auf den Grünstreifen holperte. »Mensch«, schimpfte er, als er vom Rad sprang, da er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Der Raser nahm von all dem keine Notiz. Als Haie dem tannengrünen Kombi hinterher blickte, wusste er auch gleich warum. »War ja klar«, schimpfte er, als er seinen Drahtesel wieder zurück auf die Straße schob und sich den Staub von der Hose klopfte. Ein Einheimischer wäre niemals derartig durch den Koog gerast. Die wussten schließlich, wie eng das hier war. Nee, aber die feinen Urlauber aus der Stadt nahmen keine Rücksicht. Besonders die Hamburger nutzten die endlos erscheinenden Wege durch die weiten Köge als persönliche Rennstrecke. Immer noch schimpfend fuhr er weiter. Er war nur wenige hundert Meter weit gekommen, als erneut Motorengeräusche zu hören waren. Diesmal allerdings kam der Verkehr von vorn. Haie verlangsamte sein Tempo, als er den Wagen von gerade eben wiedererkannte. »Der scheint hier echt ein Rennen zu fahren«, murmelte er, als der Hamburger auch diesmal mit unvermindertem Tempo an ihm vorbeiheizte. Na, das konnte was geben, wenn die Ferienanlage erst einmal fertig war und die Touristen in Scharen nach Dagebüll kamen. Dann war es vorbei mit der Ruhe, dachte Haie und war sich sicher, dass das Bauprojekt so oder so nicht nur Gutes für Nordfriesland brachte.
Das Navigationssystem hatte Peer über die Bundesstraße nach Risum-Lindholm geführt und er bog nun dem Pfeil auf dem kleinen Display folgend in die Dorfstraße ab. Der Ort wirkte beschaulich und Nielsen dachte, dass die Kollegen hier sicherlich nicht mit solch zahlreichen Verbrechen wie in Hamburg konfrontiert wurden. Solch ein kleines Dorf war im Gegensatz zu Hamburg nun mal etwas anderes; trotzdem konnte Peer sich nicht vorstellen, obwohl er selbst auf dem Land groß geworden war, hier zu leben. Vielleicht wenn man Kinder hat, überlegte er, aber die waren bei ihm nicht geplant. Er hatte momentan ja nicht einmal eine Freundin, keine Bekannte, geschweige denn etwas mit einer Frau zu tun, mit der er sich eine Beziehung vorstellen könnte. Und er fragte sich, ob er das überhaupt wollte? Würde es nicht immer wieder Probleme geben, weil eine Partnerin auf Dauer nun einmal kein Verständnis für seinen Job haben würde? Er kratzte sich am Kinn.
Wenige Minuten später parkte er seinen Wagen vor der Dorfkirche in Dagebüll. Für solch einen kleinen Ort war eine Menge Betrieb, aber ein Doppelmord zog eben jede Menge Schaulustige an. Er stieg aus und sah den Niebüller Kollegen am Eingang der Kirche stehen, durch den die Trauergäste hineinströmten.
»Moin«, grüßte Thamsen ihn, ohne die Kirchgänger aus den Augen zu lassen. Er stellte sich neben ihn.
»Und«, raunte Peer ihm zu, »irgendetwas entdeckt?«
Thamsen schüttelte den Kopf und hob die Hand, um Haie zuzuwinken, der sein Fahrrad angeschlossen hatte und auf sie zukam.
»Hier ist was los!«, bemerkte der Hausmeister und blickte sich um.
»Na, das kannst du laut sagen. Ich befürchte, einen Sitzplatz bekommen wir nicht mehr! Darf ich dir Peer Nielsen vorstellen? Den Kommissar aus Hamburg.«
Haie nickte und reichte dem Kollegen die Hand. »Moin.« Er musterte den jungen Mann, der, soweit er wusste, bei der Mordkommission in Hamburg beschäftigt war. Er sah gar nicht wie ein Polizist aus. »Und haben Sie neue Erkenntnisse? Ist das Handy von Heinrich aufgetaucht?« Peer schaute Haie überrascht an. Er war es nicht gewohnt, dass Zivilpersonen in die Ermittlungen involviert waren, und drehte daher seinen Kopf fragend zu Thamsen. Der beobachtete die ankommenden Gäste und bekam von Peers Überraschung
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